Die vergessenen Welten 09 - Brüder des Dunkels
»Selbst jetzt, da die kühle Dunkelheit der Nacht herrschen müßte, leuchtet er heller und heißer als je zuvor, so heiß, daß sein Leuchten sogar ohne Wärmesicht gesehen werden kann, so heiß, daß kein Drow in der Nähe der Säule es wagen darf, seine Augen auf das Wärmespektrum einzustellen, wenn er nicht erblinden will.
Und doch ist Narbondel von einem Magier verzaubert worden und nicht von einer Priesterin«, fuhr Jarlaxle fort und hoffte, daß der geistig träge Uthegental seinem Gedankengang folgen konnte.
»Ihr bezweifelt, daß Lloth einen Einfluß auf die Uhr ausüben kann?« knurrte der Waffenmeister.
»Ich bezweifle, daß sie es wollte!« konterte Jarlaxle heftig. »Die Magie von Narbondel hat nichts mit Lloth zu tun, hatte es nie. Einige der früheren Erzmagier von Menzoberranzan waren nicht einmal Anbeter von Lloth!« Er hätte fast hinzugefügt, daß auch Gromph Baenre, der derzeit diese Position innehatte, nicht übermäßig gläubig war, entschied sich aber, diese kleine Information zurückzuhalten. Es war nicht sinnvoll, dem zu allem entschlossenen zweiten Haus noch zusätzliche Gründe für die Meinung zu geben, daß sich das Haus Baenre nicht mehr in der Gunst der Spinnenkönigin befand.
»Und denkt an die Feenfeuer, die jedes Gebäude beleuchten«, fuhr Jarlaxle fort. Der Winkel, in dem die Falten auf Uthegentals Stirn sich befanden, verriet ihm, daß der Grobian plötzlich mehr neugierig denn wütend war – kein besonders vertrauter Anblick. »Sie flackern an und aus oder verlöschen gänzlich. Es ist zauberisches Feenfeuer, nicht die Magie der Priesterinnen, und es verschönert jedes Haus und nicht nur Baenre. Die Ereignisse betreffen nicht nur uns, sage ich, nicht nur das Hohe Ritual. Teilt bitte Oberin Mez'Barris mit, daß ich, bei allem Respekt, nicht glaube, daß wir hierfür Oberin Baenre die Schuld geben können, ebensowenig, wie die Lösung unseres Problems in einem Krieg gegen das erste Haus liegen kann. Nicht, solange uns Lloth keine eindeutige Anweisung übermittelt.«
Uthegentals Gesichtsausdruck kehrte schon bald zu der vertrauten finsteren Miene zurück. Natürlich war er frustriert, erkannte Jarlaxle. Die intelligentesten Drow von ganz Menzoberranzan waren es, die intelligentesten Svirfnebli von Blingdenstone ebenfalls, und nichts, was Jarlaxle sagen mochte, würde Uthegentals Ansichten ändern oder die Begierde des kriegslüsternen Wilden, das Haus Baenre anzugreifen. Aber der Söldner wußte, daß er Uthegental nicht zu überzeugen brauchte. Er mußte nur dafür sorgen, daß Uthegental bei seiner Rückkehr zum Haus Barrison del'Armgo die richtigen Dinge sagte. Der bloße Umstand, daß Mez'Barris einen so prominenten Gesandten, ihren eigenen Patron und Waffenmeister, geschickt hatte, verriet Jarlaxle, daß sie ohne die Hilfe oder zumindest das Wohlwollen von Bregan D'aerthe keine Verschwörung gegen Baenre beginnen würde.
»Ich gehe«, erklärte Uthegental, und das waren die angenehmsten Worte, die Jarlaxle gehört hatte, seit der Riese sein Lager betreten hatte.
Jarlaxle nahm seinen breitkrempigen Hut ab und fuhr sich mit den Händen über den kahlen Schädel, während er sich bequem zurücklehnte. Er konnte das Ausmaß der Ereignisse nicht einmal ansatzweise abschätzen. Vielleicht war Lloth selbst in dem offensichtlichen Chaos, in dem sich das Gewebe der Welten befand, vernichtet worden. Das wäre keine schlechte Sache, fand Jarlaxle.
Aber er hoffte dennoch, daß sich alles von selbst und so ordentlich regeln würde, wie er es Uthegental gegenüber behauptet hatte, denn er wußte, daß diese Aufforderung – und es war eine Aufforderung –, einen Krieg zu beginnen, immer wieder gestellt werden würde, und der Nachdruck würde jedesmal größer werden. Früher oder später war ein Angriff auf Haus Baenre unvermeidbar.
Jarlaxle dachte an den Zwischenfall zwischen Oberin Baenre und K'yorl Odran, der Oberin Mutter von Oblodra, dem dritten und möglicherweise gefährlichsten Haus der Stadt, als Baenre damit begonnen hatte, eine Allianz zu schmieden, um eine Eroberungsarmee gegen MithrilHalle auszusenden. Damals hatte Baenre aus einer Position der Stärke heraus gehandelt und sich Lloths voller Gunst erfreut. Sie hatte K'yorl und das dritte Haus offen beleidigt und die unberechenbare Oberin Mutter durch pure Drohungen in ihre Allianz gezwungen.
Jarlaxle wußte, daß K'yorl dies nie vergessen würde, und es war durchaus möglich, daß sie Mez'Barris Armgo in einen
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