Die vergessenen Welten 11 - Kristall der Finsternis
gedrückt. Der ausgemergelte Mann war praktisch in der Mitte abgeknickt und schien kurz vor dem Zerbrechen zu stehen. Wie leicht wäre es für Wulfgar, seinen Arm tiefer zu drücken und das Rückgrat des Mannes zu zerbrechen.
Wie leicht und wie sinnlos. Mit einem frustrierten Gebrüll, das nicht das Geringste mit Mitgefühl zu tun hatte, zog er Valrik wieder auf die Beine, packte ihn mit der freien Hand am Bauch und hob ihn hoch über seinen Kopf. Mit einem Schrei schleuderte er den Schamanen ein Dutzend Fuß weit gegen ein Zelt, so dass Valrik, Tierhäute und Zeltstangen in einem wilden Durcheinander zu Boden stürzten. Krieger stürmten auf ihn zu, doch er hatte sofort Aegisfang in der Hand. Ein mächtiger Hieb trieb sie zurück, schlug einem Mann die Waffe aus der Hand und riss ihm dabei fast den Arm ab.
»Halt!«, erklang Jereks Ruf. »Und auch du, Valrik!«, fügte er betont hinzu, als er sah, wie der Schamane wieder auf die Knie krabbelte und dabei schreiend Wulfgars Tod forderte. Jerek schritt an seinen Kriegern vorbei zu Wulfgar.
Der jüngere Mann sah die mörderische Absicht in seinen Augen.
»Es bereitet mir kein Vergnügen, den Vater von Toriin zu töten«, sagte Wulfgar ruhig.
Das traf einen Nerv; Wulfgar sah, wie das Gesicht des älteren Mannes weicher wurde. Ohne ein weiteres Wort wandte sich der Barbar ab und ging davon, und keiner der Krieger versuchte, ihn aufzuhalten.
»Tötet ihn!«, schrie Valrik, doch noch bevor die Worte seinen Mund verlassen hatten, wirbelte Wulfgar herum und ließ seinen Kriegshammer fliegen. Die Waffe raste in Sekundenbruchteilen zu dem zwanzig Fuß entfernt knienden Schamanen und traf ihn mit solcher Wucht vor der Brust, dass er tot zwischen den verstreuten Stangen und Tierhäuten niederfiel.
Alle Augen richteten sich auf Wulfgar, und mehr als ein Himmelspony machte eine Bewegung in seine Richtung.
Doch Aegisfang war plötzlich wieder in seiner Hand, und sie zogen sich erneut zurück. »Sein Gott Tempus ist mit ihm!«, schrie ein Mann.
Wulfgar wendete sich ab und ging davon. In seinem Innersten wusste er, dass nichts weiter von der Wahrheit entfernt war. Er erwartete, dass Jerek ihn angriff oder seinen Kriegern befahl, ihn zu töten, doch die Gruppe hinter ihm blieb seltsamerweise still. Er hörte keine Befehle, keine Proteste, keine Bewegungen. Überhaupt nichts. Er hatte den bereits arg mitgenommenen Stamm derart überwältigt, hatte Jerek mit der Nachricht vom Tod seines Sohnes so betäubt und dann sie alle mit seiner plötzlichen und brutalen Rache an Valrik gelähmt, dass sie einfach nicht wussten, wie sie auf alles reagieren sollten.
Wulfgar verspürte keine Erleichterung, als er das Lager verließ. Er stürmte den Weg entlang und war wütend auf den verdammten Valrik, auf all die verfluchten Himmelsponys, auf die ganze verdammte Welt. Er trat einen Stein von dem Pfad und las dann einen anderen Felsbrocken auf, um ihn weit von sich zu schleudern und ihm dabei einen Schrei des puren Trotzes und der Frustration nachzuschicken. Er stampfte davon, ohne auf die Richtung zu achten, ohne darüber nachzudenken, wo er hingehen wollte oder sollte. Kurze Zeit später stieß er auf die Spur eines Kriegstrupps der Orks, wahrscheinlich denselben, die in der vergangenen Nacht mit den Himmelsponys gekämpft hatten. Es war eine leicht zu verfolgende Fährte aus Blut, zertrampeltem Gras und abgerissenen Zweigen, die vom Hauptpfad abbog und auf einen kleinen Wald zulief.
Fast ohne darüber nachzudenken folgte Wulfgar dieser Spur, während er noch immer grob Zweige beiseite schob, vor sich hin murmelte und Flüche knurrte. Allmählich beruhigte er sich jedoch und wurde leiser, und seine allgemeine Ziellosigkeit wurde von einem sehr genauen, kurzfristigen Ziel abgelöst. Er folgte der Fährte jetzt vorsichtiger und hielt nach möglichen Abzweigungen Ausschau, wo Späher der Orks sich vom Haupttrupp gelöst haben konnten. Tatsächlich stieß er auf einen solchen Pfad und auf zwei Spuren, die seine Vermutung bestätigten. Er folgte leise diesem Weg und suchte dabei die Schatten und andere Deckungen auf.
Es war bereits spät am Tag, und die Schatten waren lang, aber Wulfgar wusste, dass er es schwer haben würde, die Späher zu entdecken, bevor sie ihn erblickten, wenn sie wachsam waren – und das würden sie so kurz nach einer heftigen Schlacht mit ziemlicher Sicherheit sein.
Wulfgar hatte viele Jahre damit verbracht, an der Seite von Drizzt gegen Humanoide zu kämpfen und ihre
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