Die Vergessenen Welten 12 - Schattenzeit
völlig andere Sache, wie er bei vielen schmerzlichen Gelegenheiten erfahren hatte, insbesondere bei seiner Gefangennahme auf den Straßen von Luskan.
»Wie viele kannst du einstecken?«, brüllte Wulfgar erneut und schleuderte einen weiteren Stein, der sein Ziel verfehlte. »Einen!«, erwiderte der Zauberer. »Mehr nicht.«
»Dann triff ihn!«, rief Morik, der es falsch verstanden hatte, Wulfgar zu. Der Zauberer sprach nicht davon, wie viele Treffer seine magische Steinhaut absorbieren konnte, sondern darüber, wie viele Gefangene er machen wollte. Noch während Morik schrie, deutete der Magier mit seiner freien Hand auf Wulfgar. Ein schwarzer Tentakel schoss aus seinen ausgestreckten Fingern, züngelte in rasender Geschwindigkeit den Felsvorsprung hinab und wand sich fest um den Barbaren.
»Ich werde den anderen nicht ungeschoren davonkommen lassen!«, rief der Zauberer zu niemand Bestimmtem. Er ballte die Faust, sein Ring blitzte auf, und er stieß den Stab auf den Boden. Ein blendendes Licht, ein Schwall Rauch, und Wulfgar und der Zauberer verschwanden mit einem Donnerschlag.
»Zauberer!«, fluchte Morik völlig angewidert, kurz bevor der Felsvorsprung, den er gerade hinaufstieg, unter ihm zusammenbrach.
Er befand sich in der Audienzhalle einer Burg. Der schwarze Tentakel hielt ihn weiterhin hartnäckig in seinem Griff, hatte sich mehrmals um seinen Leib gewunden und versuchte, seine mächtigen Arme zu fesseln. Wulfgar schlug danach, aber er war sehr flexibel und gab unter den Hieben einfach nach, so dass ihre Wucht verpuffte. Der Barbar packte den Tentakel und versuchte, an ihm zu zerren und ihn zu verdrehen, doch noch während seine Hände einen Teil des unheimlichen Dings bearbeiteten, wand sich das Ende, das der Zauberer von seiner Hand gelöst hatte, um Wulfgars Beine, brachte ihn aus dem Gleichgewicht und ließ ihn hart zu Boden fallen. Der Barbar rollte sich herum und wand sich, doch es war vergebens. Er war gefangen.
Wulfgar benutzte seine Arme, um zu verhindern, dass der Tentakel sich um seinen Hals wickelte, und als er sich davon überzeugt hatte, dass das Ding ihm nichts tun konnte, richtete er seine Aufmerksamkeit stärker auf seine Umgebung. Der Zauberer stand vor zwei Stühlen, auf denen ein etwa fünfundzwanzigjähriger Mann und eine jüngere, unverkennbar schöne Frau saßen – eine Frau, die Wulfgar sofort erkannte.
Neben ihnen stand ein alter Mann, und an der Seite des Raumes saß eine füllige Frau von vielleicht vierzig Jahren. Außerdem bemerkte Wulfgar, dass der Saal von mehreren grimmig dreinschauenden und gut bewaffneten Soldaten gesäumt war.
»Wie ich es versprochen habe«, sagte der Zauberer und verbeugte sich vor dem Mann auf dem Thron. »Jetzt wäre da nur noch die kleine Angelegenheit meiner Bezahlung.«
»Du wirst dein Gold in den Gemächern vorfinden, die ich dir anweisen ließ«, erwiderte der Mann. »Ich hatte nie einen Zweifel an deinem Können, guter Meister. Dein Dienstherr, der Händler Galway, hat dich zurecht in höchsten Tönen empfohlen.«
Der Zauberer verbeugte sich erneut. »Werden meine Dienste noch benötigt?«, fragte er.
»Wie lange wird dies halten?«, entgegnete der Mann und deutete auf den Tentakel, der Wulfgar gefangen hielt.
»Eine sehr lange Zeit«, versprach der Zauberer. »Gewiss lange genug, dass du ihn verhören und verurteilen kannst, um ihn anschließend in deinen Kerker zu schleifen oder gleich hier hinzurichten.«
»Dann kannst du jetzt gehen. Wirst du heute Abend mit uns speisen?«
»Ich fürchte, mich erwarten dringende Geschäfte im Hauptturm von Luskan«, erwiderte der Zauberer. »Es hat mich gefreut, dich kennen zu lernen, Lord Feringal.« Er verbeugte sich noch einmal und verließ den Raum. Als er dabei an dem Barbaren vorbeischritt, lachte er leise auf.
Zur Überraschung aller Anwesenden knurrte Wulfgar laut, packte den Tentakel mit beiden Händen und zerriss ihn. Er hatte sich gerade unter dem Geschrei vieler Stimmen auf die Füße hochgearbeitet, als sich zahlreiche Soldaten auf ihn stürzten und mit Panzerhandschuhen und schweren Keulen auf ihn einschlugen. Wulfgar, der noch immer mit dem Tentakel kämpfte, bekam eine Hand frei, um mit einem Hieb einen Soldaten davonzuschleudern und einen zweiten an der Kehle zu packen und auf den Boden zu schmettern. Doch gegen die zahlreichen Angreifer hatte er keine Chance. Der Zauberer ließ die Überreste des Tentakels verschwinden, und die Arme des benommenen Barbaren wurden ihm auf den
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