Die Vergessenen Welten 12 - Schattenzeit
kaum noch am Leben gewesen war, nur um von den magischen Heilkräften der bösartigen Gefolgsleute Errtus wiederhergestellt zu werden. Man hatte ihm die Finger abgebissen, um sie ihm hinterher wieder anwachsen zu lassen.
Der Anblick des unglücklichen Diebes brachte all dies mit Macht zu ihm zurück.
Der Amboss. Ja, das war das Schlimmste von allem gewesen, die unerträglichste körperliche Folter, die Errtu für ihn ersonnen hatte. Der große Dämon hatte sie sich für jene Momente aufgespart, in denen er so rasend vor Wildheit gewesen war, dass er keinen Gedanken daran verschwenden konnte, eine subtilere Folterung von Wulfgars Verstand zu ersinnen.
Der Amboss. Kalt war er, wie ein Eisblock, so kalt, dass er sich wie Feuer an Wulfgars Schenkeln anfühlte, wenn Errtus mächtige Diener ihn darauf zogen, ihn zwangen, sich darauf zu legen, nackt und auf dem Rücken ausgestreckt.
Anschließend kam dann Errtu zu ihm, schlenderte langsam und bedrohlich vor ihm auf und ab, bis er in einer plötzlichen Bewegung einen kleinen, mit winzigen Nadeln besetzten Hammer in Wulfgars geöffnete Augen schmetterte, der sie explodieren ließ und Wogen von Übelkeit und unerträglichen Schmerzen durch den Barbaren jagte.
Und natürlich heilten Errtus Diener Wulfgar anschließend, machten ihn wieder gesund, damit sie ihr Spiel wiederholen konnten. Selbst jetzt, da er Errtus Reich im Abgrund seit langem entflohen war, erwachte Wulfgar noch immer häufig wie ein Baby zusammengerollt, die Hände auf die Augen gepresst, und spürte den schrecklichen Schmerz. Wulfgar kannte nur ein Entkommen vor dem Schmerz. Daher hatte er seine Flaschen genommen und war davon gelaufen, und nur die brennende Flüssigkeit hatte vermocht, die Erinnerung verschwinden zu lassen.
»Er dachte, er würde dich kennen?«, fragte Morik zweifelnd.
Wulfgar starrte ihn verständnislos an. »Der Mann im ›Entermesser‹«, erklärte Morik. »Er hat sich geirrt«, lallte Wulfgar. Morik warf ihm einen skeptischen Blick zu. »Er wusste, wer ich einst war«, gab der große Mann zu. »Nicht, wer ich jetzt bin.« »Deudermont«, meinte Morik.
Jetzt war es an Wulfgar, überrascht aufzublicken. Morik kannte natürlich den Großteil der Leute von Luskan – schließlich überlebte der Gauner durch seine Kenntnisse. Es verdutzte den Barbaren jedoch, dass er von einem unscheinbaren Seemann wusste (und für einen solchen hielt Wulfgar Deudermont), der nur auf der Durchreise war.
»Kapitän Deudermont von der Seekobold«, führte Morik aus. »Weit bekannt und viel gefürchtet unter den Piraten der Schwertküste. Er kannte dich, und du kanntest ihn.«
»Ich bin mal mit ihm gesegelt … in einem früheren Leben«, gab Wulfgar zu.
»Ich habe viele Freunde – Profiteure der Meere, sozusagen –, die ein hübsches Sümmchen dafür zahlen würden, dass er ausgelöscht wird«, sagte Morik und beugte sich dabei tief über den sitzenden Wulfgar. »Vielleicht könnten wir deine Bekanntschaft mit ihm zu unserem Vorteil nutzen.«
Noch während die Worte über Moriks Lippen kamen, fuhr Wulfgar heftig hoch, und seine Hand packte den Hals des anderen Mannes. Obwohl er auf unsicheren Beinen wankte, besaß Wulfgar noch immer genug Kraft, um den Gauner mit einer Hand in die Luft zu stemmen. Ein paar rasche Schritte, die mehr ein Stolpern als ein Laufen waren, trugen sie zu der Wand eines Lagerhauses, gegen die der Barbar Morik den Finsteren rammte, dessen Füße mehrere Zoll über dem Boden baumelten.
Moriks Hand glitt in seine tiefe Tasche und schloss sich um ein Messer, das er, wie er wusste, blitzschnell in den Bauch des betrunkenen Wulfgars rammen konnte. Er hielt seinen Stoß jedoch zurück, da Wulfgar ihn nicht härter gegen die Wand presste und nicht versuchte, ihn zu verletzen. Außerdem nagten die Erinnerungen an die Drowelfen an Morik, die ein reges Interesse an Wulfgar hatten. Wie sollte er denen erklären, dass er den Barbaren getötet hatte? Was würde mit ihm geschehen, wenn er die Aufgabe nicht lösen konnte, die sie ihm übertragen hatten?
»Wenn du mir das jemals wieder vorschlägst, werde ich…« Wulfgars Drohung blieb unbeendet in der Luft hängen, während er Morik fallen ließ. Er wirbelte wieder zum Meer herum und stolperte dabei in seiner Trunkenheit fast über den Hafenrand ins Wasser. Morik rieb sich seinen geschundenen Hals und war kurz über den heftigen Ausbruch verwundert. Als er jedoch darüber nachdachte, nickte er nur. Er hatte eine schmerzende Wunde
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