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Die Vergessenen Welten 12 - Schattenzeit

Die Vergessenen Welten 12 - Schattenzeit

Titel: Die Vergessenen Welten 12 - Schattenzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. A. Salvatore
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dass irgendein Bauernmädchen – und vielleicht sogar dessen übel riechende Bauernfamilie – bei ihnen einzog.
    Kurze Zeit später zog sich Temigast zurück und lehnte Priscillas Angebot ab, in ihr Bett zu kommen. Die Gedanken des alten Mannes glitten Jahrzehnte in die Vergangenheit zurück, zu einer Frau, die er einst gekannt hatte, einer Frau, die sein Herz gestohlen hatte und die dadurch, dass sie so schrecklich jung gestorben war, eine Bitterkeit und einen Zynismus in ihm hervorgerufen hatte, der bis heute anhielt.
    Temigast war sich der Tiefe dieser Gefühle nicht bewusst gewesen, bis er seinen eigenen Zweifel und seine Ablehnung der offenkundigen Gefühle von Lord Feringal erkannt hatte. In diesem Moment hielt er sich für einen schrecklichen alten Halunken. Er saß in einem Sessel neben dem schmalen Fenster, das einen Blick auf den Hafen von Auckney gewährte. Der Mond war schon lange untergegangen, so dass das kalte Wasser im Dunkeln lag und die weiße Gischt nur fahl im Sternenschein schimmerte. Temigast hatte, ebenso wie Priscilla, seinen jungen Schützling nie so erregt gesehen, so voller Feuer und Leben. Feringal war gewöhnlich stets trüber Stimmung und von einem Gefühl ewiger Trägheit umgeben, aber es war nichts Träges an der Art gewesen, wie der junge Mann die Treppe herabgestürmt war, um seine Liebe zu verkünden, nichts Apathisches an der Weise, wie er sich seiner herrischen älteren Schwester widersetzt hatte.
    Der Gedanke an diesen Anblick ließ ein Lächeln auf Temigasts Gesicht treten. Vielleicht brauchte Burg Auck jetzt solches Feuer; vielleicht war es an der Zeit, diesen Ort und das gesamte Leben ordentlich durchzurütteln. Möglicherweise konnte die Energie des Lords von Auckney das oft übersehene Dorf auf die Stufe seiner bekannteren Nachbarn Hundelstein und Feuershear heben. Nie zuvor hatte der Lord von Auckney eines der Bauernmädchen aus dem Dorf geheiratet. Es gab hier einfach zu wenig Menschen, und die meisten stammten aus Familien, die seit Jahrhunderten in dem Dorf lebten. Die Möglichkeit, so viele der Leibeigenen mit der Herrscherfamilie zu verbinden, wie entfernt diese Verwandtschaft auch sein mochte, war ein klares Argument, das dagegen sprach, Feringal seinen Willen zu lassen.
    Doch die schiere Energie, die der junge Lord gezeigt hatte, schien ein ebenso starkes Argument für diese Verbindung zu sein. Temigast beschloss daher, dieser Angelegenheit viel Sorgfalt zu widmen. Er würde herausfinden, wer dieses Bauernmädchen war, und sehen, ob sich etwas arrangieren ließ.

Der letzte Tropfen
    »Er kannte dich«, wagte Morik zu sagen, als er sich Wulfgar in der gleichen Nacht, in der er das Treffen in der schäbigen Kaschemme gehabt hatte, wieder anschloss. Zu dem Zeitpunkt, als der Ganove am Hafen zu seinem Freund stieß, hatte der große Mann bereits fast die zweite Flasche geleert. »Und du kanntest ihn.«
    »Er dachte, er würde mich kennen«, berichtigte Wulfgar mit schwerer Stimme.
    Er wankte sogar im Sitzen und war eindeutig betrunkener, als er es gewöhnlich zu dieser frühen Stunde war. Er und Morik hatten sich außerhalb des »Entermessers« getrennt, wobei Wulfgar beide Flaschen mitgenommen hatte. Statt direkt zum Hafen zu gehen, war der Barbar durch die Straßen gewandert und hatte sich schon bald in einem besseren Viertel von Luskan wiedergefunden, in dem Gebiet der respektablen Bürger und Händler. Es hatten ihn keine Stadtwachen vertrieben, da sich in dieser Gegend der Stadt der Sträflingskarneval befand, eine Bühne, auf der Gesetzesbrecher in aller Öffentlichkeit bestraft wurden. In dieser Nacht befand sich ein Dieb auf der Plattform, der wiederholt von dem Folterer gefragt wurde, ob er sein Verbrechen gestehen würde. Als er dies nicht tat, holte der Folterer eine große Schere hervor und schnitt ihm den kleinen Finger ab. Die Antwort des Diebes auf die erneut gestellte Frage ließ die Zuschauer, die sich das tägliche Spektakel anschauten, beifällig johlen.
    Natürlich war das Geständnis seiner Schuld kein leichter Ausweg für den armen Mann. Er verlor seine ganze Hand – einen Finger nach dem anderen –, und der Mob jubelte und gröhlte begeistert.
    Doch nicht Wulfgar. Nein, der Anblick hatte sich als zu viel für den Barbaren erwiesen und ihn wieder in die Vergangenheit geschleudert, in seine Zeit in Errtus Abgrund, in hilflose Agonie. Was für Folterungen er damals durchlitten hatte! Er war aufgeschlitzt, gepeitscht und geprügelt worden, bis er

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