Die Vergessenen Welten 12 - Schattenzeit
gedeihen lässt. Entschuldige bitte, Herrin Priscilla, aber du hast mir bislang keine Seite von dir gezeigt, die gut zu Blumen ist.«
»Wie bitte?«, fragte Priscilla. Sie stand stocksteif mit aufgerissenen Augen da und war wie benommen von der Offenheit dieses Bauernmädchens. Sie verhaspelte sich bei ein paar Erwiderungsversuchen, bevor Meralda sie unterbrach.
»Dies ist fürwahr der schönste Garten in ganz Auckney«, sagte sie und löste ihre Augen von Priscilla, um ihren Blick bewundernd über die Blumen streifen zu lassen. »Ich dachte, du wärst voller Hass.« Sie drehte sich wieder der Frau zu, um ihr ins Gesicht zu schauen, doch dabei war ihr Blick nicht böse. Auch Priscillas Stirnrunzeln hatte ein wenig nachgelassen. »Jetzt weiß ich es besser, denn jemand, der einen Garten so schön gemacht hat, verbirgt selbst Schönheit in sich.« Sie endete mit einem entwaffnenden Lächeln, das selbst Priscilla nicht kalt ließ.
»Ich habe seit Jahren an diesem Garten gearbeitet«, erklärte die ältere Frau. »Ich habe gepflanzt und gepflegt und so lange gesucht, bis ich für jede Woche des Sommers Blumen hatte, die dann zu blühen begannen.«
»Und die Mühe hat sich gelohnt«, gratulierte ihr Meralda aufrichtig. »Ich wette, es gibt nicht einmal in Luskan oder in Tiefwasser einen Garten, der es mit diesem aufnimmt.«
Meralda konnte sich ein Lächeln kaum verkneifen, als sie sah, dass Priscilla errötete. Sie hatten den schwachen Punkt der Frau gefunden. »Es ist ein hübscher Garten«, sagte die Frau, »aber in Tiefwasser gibt es Gärten, die so groß sind wie Burg Auck.«
»Größer vielleicht, aber gewiss nicht schöner«, beharrte Meralda.
Priscilla kam erneut ins Stottern, so sehr war sie von den Schmeicheleien dieses Bauernmädchens überrumpelt worden. »Danke«, gelang es ihr hervorzustoßen, und auf ihrem fülligen Gesicht leuchtete ein breiteres Lächeln auf, als Meralda jemals erwartet hätte. »Möchtest du etwas ganz Besonderes sehen?« Meralda war zunächst zögerlich, da es ihr wahrhaftig nicht leicht fiel, Priscilla zu trauen, aber sie beschloss, das Risiko einzugehen. Priscilla ergriff ihre Hand und zog sie wieder in die Burg hinein. Die ältere Frau führte sie durch ein paar Räume, eine versteckte Treppe hinab und auf einen kleinen Hof hinaus, der gerade breit genug war, dass sie nebeneinander stehen konnten. Meralda lachte bei seinem Anblick auf, denn auch wenn die Wände einfach nur rissiger und verwitterter grauer Stein waren, befand sich dort, in der Mitte des Hofes, eine Reihe Mohnblumen, von denen die meisten tief rot waren, während einige zu einer zart rosafarbenen Art gehörten, die die junge Frau nicht kannte.
»Hier arbeite ich mit den Pflanzen«, erklärte Priscilla und führte Meralda zu den Töpfen. Sie kniete sich zuerst bei den roten Mohnblumen hin und strich mit der einen Hand über den Stiel, während sie mit der anderen die Blütenblätter nach unten drückte, um das dunkle Innere der Blume zu enthüllen. »Siehst du, wie rau der Stiel ist?«, fragte sie. Meralda nickte, während sie die Hand ausstreckte, um die aufragende Pflanze zu berühren.
Priscilla stand abrupt auf und führte Meralda zu den anderen Töpfen, in denen die helleren Mohnblumen wuchsen. Erneut enthüllte sie das Innere der Blume, das sich diesmal nicht dunkel, sondern als weiß erwies. Als Meralda den Stiel dieser Pflanze berührte, stellte sie fest, dass er viel weicher war.
»Ich habe über Jahre hinweg immer wieder die hellsten Pflanzen ausgewählt«, erklärte Priscilla. »Bis ich dies hier erreicht habe, eine Mohnblume, die sich so sehr von ihrer ursprünglichen Art unterscheidet.«
»Priscilla-Mohn!«, rief Meralda aus. Sie war entzückt zu sehen, dass die verkniffene Priscilla Auck tatsächlich auflachte.
»Aber den Namen hast du dir verdient«, fuhr Meralda fort. »Du solltest sie zu den Kaufleuten bringen, wenn sie auf ihren Reisen von Luskan nach Hundelstein hier vorbeikommen. Würden die edlen Damen von Luskan nicht einen hohen Preis für eine so zarte Mohnblume zahlen?«
»Die Kaufleute, die nach Auckney kommen, interessieren sich nur dafür, mit praktischen Dingen zu handeln«, erwiderte Priscilla. »Werkzeuge und Waffen, Nahrungsmittel und Alkohol, immer Alkohol, und vielleicht ein wenig Elfenbeinschnitzereien aus ZehnStädte. Lord Feri hat eine ganze Sammlung davon.« »Die würde ich gerne sehen.«
Priscilla warf ihr einen recht merkwürdigen Blick zu. »Das wirst du, vermute
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