Die Vergessenen Welten 16 - Die Drachen der Blutsteinlande
seid? Der Heiligste? Hat Euer Gott Ilmater Euch gesalbt?«
»Ich war der Abkömmling des ehemaligen Königs, lange bevor Damara vom Krieg gespalten wurde.«
»Und wenn ich der Sohn Eurer Eltern gewesen wäre?«
Gareth schüttelte den Kopf. »Das hätte nicht sein können. Ich bin das Produkt ihrer Lenden, ihrer Herkunft und meines Erbes.«
»Also ist es nicht nur Zufall? Wollt Ihr sagen, dass Herkunft tatsächlich etwas zu bedeuten hat?«
»Ja.«
»Das müsst Ihr wohl glauben, schon um Eurer eigenen geistigen Gesundheit willen. Ihr seid König, weil Euer Vater König war?«
»Er war ein Baron, zu einer Zeit, als Damara keinen König hatte. Das Königreich wurde erst vereint, als es sich zum gemeinsamen Kampf gegen Zhengyi zusammentat.«
»Und das war, als sich Gareth durch Tat über alle anderen Barone und Herzöge und ihre Kinder erhob?«
Gareths Blick zeigte Entreri, dass der König wusste, dass er verspottet wurde, oder zumindest diesen Verdacht hegte.
»Eine wunderbare Verknüpfung von Umständen und Erbe«, sagte Entreri. »Ich bin wirklich gerührt.«
»Sollte ich Euch Euer Schwert geben und Euch im Zweikampf töten, um mir ein Recht auf Vaasa zu erwerben?«, fragte Gareth. Entreri lächelte. »Und wenn ich Euch töten würde?«
»Mein Gott würde das nicht erlauben.«
»Das müsst Ihr wohl glauben. Aber lasst uns nur um der Spekulation willen einmal annehmen, wir kämpfen, und ich siege. Nach Eurer Logik würde ich auf diese Weise zum rechtmäßigen König von Vaa– oh, wartet. Jetzt erkenne ich es. Das wäre nicht genug, weil ich nicht über die richtige Abstammung verfüge. Was für ein schlaues System Ihr doch habt! Ihr und die anderen selbsternannten Herrscher von Faerûn. Nach Euren Bedingungen seid Ihr allein Könige und Königinnen und Lords und Ladys des Hofes. Ihr allein zählt, während die Bauern sich ducken und im Schlamm knien, und da Ihr in den Augen dieses oder jenes Gottes ›rechtmäßig‹ seid, kann sich keiner von ihnen beschweren. Er muss sein schlammiges Los akzeptieren und sich an seinem Elend erfreuen, alles in dem Wissen, dass er dem rechtmäßigen König dient.«
Gareth biss die Zähne zusammen und knirschte ein wenig mit ihnen, während er Entreri anstarrte, der nicht mit der Wimper zuckte.
»Ihr hättet mich von Kane töten lassen sollen, gleich in der Burg. Zerbrecht den Spiegel, König Gareth. Dann werdet Ihr Euch gleich wieder hübscher vorkommen.«
Gareth starrte ihn noch einen Moment an, dann ging er zur Zellentür, die von dem zurückkehrenden Wärter geöffnet wurde. Neben dem Mann stand Meister Kane, der Entreri anstarrte.
Entreri sah ihn und verbeugte sich übertrieben.
Gareth drängte sich an Wärter und Mönch vorbei und ging, und seine festen Schritte waren laut auf dem Steinboden zu hören.
»Ich nehme an, Ihr wünscht Euch, dass Ihr mich umgebracht hättet«, sagte Entreri zu Kane. »Das könnt Ihr selbstverständlich immer noch tun. Ich spüre die Vibrationen Eurer dämonischen Berührung.«
»Ich bin nicht Euer Richter.«
»Nur mein Scharfrichter.«
Kane verbeugte sich und ging. Als er Gareth einholte, hatte der König den Kerker bereits hinter sich gelassen und beinahe seine Privatgemächer erreicht.
»Du hast es gehört?«, fragte Gareth.
»Er ist schlau.«
»Und, hat er unrecht?«
»Ja.«
Diese schlichte Antwort bewirkte, dass Gareth stehen blieb und sich umdrehte, um den Mönch anzusehen.
»In meinem Orden erreicht man Rang durch Verdienste und Nahkampf«, erklärte Kane. »In einem Königreich, das so groß ist wie Damara, in einer Siedlung so groß wie Dorf Blutstein, würde ein solches System nur zu Anarchie und Leid führen. Auf dieser Ebene ist es der Weg der Orks.«
»Und daher haben wir königliche Familien?«
»Das ist eine Möglichkeit. Aber sie wäre ohne heldenhafte Taten bedeutungslos. In den dunkelsten Stunden von Damara, als Zhengyi herrschte, trat Gareth Drachenbann der Gefahr entgegen.«
»Viele haben das getan«, sagte Gareth. »Du zum Beispiel.«
»Ich folgte König Gareth.«
Gareth lächelte dankbar und legte eine Hand auf Kanes Schulter.
»Der Titel hält dich so fest, wie du den Titel hältst«, sagte Kane. »Es ist keine leichte Aufgabe, die Verantwortung eines ganzen Königreichs auf deinen Schultern zu tragen.«
»Es gibt Zeiten, da fürchte ich, darunter zu zerbrechen.«
»Eine falsche Entscheidung, und Leute sterben«, sagte Kane. »Und du allein bist der Hüter der Gerechtigkeit. Wenn du
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