Die Vergessenen Welten 16 - Die Drachen der Blutsteinlande
Hafens durch seinen Kopf zogen, erkannte Jarlaxle, dass Entreri sich in Gedanken bereits in Memnon, der Stadt seiner Geburt, befand.
So klar waren diese Bilder, dass Jarlaxle beinahe die salzige Luft schmecken und die Seevögel schreien hören konnte. Als Nächstes zeigte ihm Entreris Traum – war es ein Traum oder eine Erinnerung?, fragte sich der Drow – eine unscheinbar aussehende Frau. Sie mochte Jahre zuvor vielleicht ein wenig attraktiver gewesen sein, aber der Dreck und der Staub und ein schweres Leben hatten einen hohen Preis von ihr gefordert. Die wenigen Zähne, die sie noch hatte, waren schief und gelb, und ihre Augen, früher einmal vielleicht glänzend und schwarz, zeigten jetzt nur noch die Teilnahmslosigkeit der Verzweiflung, den leeren, müden Blick einer Person, die zu lange arm gewesen war. Die Welt hatte diese einstmals hübsche Frau gebrochen.
Jarlaxle spürte, wie Zärtlichkeit von Entreri ausging, als sich der Traum des Meuchelmörders auf die Frau konzentrierte.
Dann gab es einen Wagen, einen Priester, die Schreie eines kleinen Jungen ...
Jarlaxle wich einen Schritt zurück, als eine Welle von Hass von Entreri ausging, die ihn beinahe überwältigt hätte. Solcher Zorn! Leidenschaftliche, wilde Empörung!
Er sah die Frau noch einmal, wie sie im Staub kleiner wurde, und spürte, dass er sich auf einem Wagen befand, der von ihr wegrollte. Die Zärtlichkeit war verschwunden, war einem Gefühl des Verratenseins gewichen, das Jarlaxle erschreckte.
Kurze Zeit später tauchte der Drow erschüttert aus diesen Empfindungen auf. Er starrte Entreri an, und er wusste, dass das, was er bei seinem Einschleichen in die Träume des Meuchelmörders gesehen hatte, tatsächlich Erinnerungen waren.
»Deine Mutter«, flüsterte der Drow leise und rief sich noch einmal das Bild der schwarzhaarigen, schwarzäugigen Frau vor Augen.
Er schnaubte, als ihm die Ironie der Situation klar wurde. Vielleicht hatte sein Gefühl der Verwandtschaft zu Artemis Entreri mehr Wurzeln in gemeinsamen Erfahrungen, als ihm bislang bewusst gewesen war.
21
Niemals ein einfacher Weg
Entreri starrte nach Westen, zu einer Gruppe von Palmen, die sich über den wogenden Sanddünen erhoben. Er nickte, als ihm klar wurde, wo sie sich befanden, denn die Berge südlich ihrer Position waren ihm durchaus vertraut. Nicht viel von dieser Region nördlich der Wasserscheide bestand aus wogendem weißem Sand, obwohl sich die Wüste südlich der Berge, näher an Calimhafen, meilenweit erstreckte. Das Land hier war beinahe ebenso unfruchtbar wie dort, aber es bestand eher aus Mesas und weiten, ausgetrockneten Flussbetten; nur dieser Bereich stellte eine Ausnahme dar. Sie befanden sich dicht an der Handelsstraße, und da sich die Berge südlich von ihnen erhoben, erkannte Entreri, dass sie tatsächlich nur noch ein paar Tagesreisen von Memnon entfernt waren. Er schaute zurück zu den Drachenschwestern, die sich auf den Abflug vorbereiteten, und sah Tazmikella, als sie in seine Richtung schaute, mit einem Blick an, der Dankbarkeit so nahe kam, wie er es zustande brachte.
Seitlich von Entreri saß Athrogate, fluchte vor sich hin und zog seine Stiefel aus. »Elendes Zeug!«, sagte er und kippte eine großzügige Menge Sand aus einem Schuh. Bevor sie gelandet waren, hatte Ilnezhara das Gelände niedrig überflogen, und die Rinne, die der an ihren Klauen hängende Zwerg in den groben Sand gezogen hatte, ließ sich viele Schritte weit zurückverfolgen.
Entreri war zwar erfreut, das Unbehagen des Zwergs zu sehen, wandte sich nun aber seinem anderen Begleiter zu. Jarlaxle stand neben den Drachen und hatte Entreri den Rücken zugewandt, den Hut weit zurückgeschoben, was den Blick des Meuchelmörders auf ihn so gut wie blockierte. Etwas an den Mienen der beiden riesigen Geschöpfe sagte Entreri, dass Jarlaxle sie überrascht hatte. Nach einem weiteren flüchtigen Blick auf den schimpfenden Athrogate ging Entreri zu dem Drow.
Und sah einen gutaussehenden Elf mit goldener Haut und Haar in der Farbe der Morgensonne.
Entreri wich einen Schritt zurück.
»Obwohl das Haar dir gut steht, ziehe ich doch den Drow vor«, sagte Ilnezhara. »Exotisch, geheimnisvoll, faszinierend ...«
»Gefährlich«, warf ihre Schwester ein. »Das fandest du immer verlockend, und deshalb sind wir jetzt auch tiefer in Dojomentikus’ Terrain, als mir lieb ist. Komm, es ist Zeit, dass wir gehen.«
»Dojo würde uns nicht beide angreifen, Schwester«, sagte Ilnezhara. Sie
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