Die vergessliche Mörderin
versunken, und ich – ich wusste ehrlich gestanden nicht, was ich sagen sollte.«
»Aber Sie haben doch sicher gesehen, dass sie nicht zurechnungsfähig war?«, fragte Andrew Restarick. »Dass das arme Kind nicht wusste, was es getan hatte, und warum, nicht wahr?« Es klang flehend-hoffnungsvoll.
»Wenn es ein Zeichen für geistige Umnachtung ist, dass man nach einem Mord völlig kühl und gefasst ist, dann ja.« Man konnte ihr deutlich anhören, dass sie nicht dieser Ansicht war.
Stillingfleet mischte sich ein: »Miss Jacobs, hat sie irgendwann zugegeben, ihn getötet zu haben?«
»O ja, das hätte ich erwähnen sollen. Gleich als Erstes hat sie das gesagt. Es war so, als hätte ich eine Frage gestellt, die sie mir beantwortete. Sie sagte: › Ja, ich habe ihn getötet.‹ Danach kam das mit dem Händewaschen.«
Restarick stöhnte auf und vergrub das Gesicht in den Händen. Claudia legte ihm die Hand auf den Arm.
Poirot fragte: »Miss Jacobs, Sie sagten, das Mädchen habe das Messer, das es in der Hand gehalten hatte, auf den Tisch gelegt. Haben Sie es genau aus der Nähe gesehen? Hatten Sie den Eindruck, dass auch das Messer abgewaschen worden war?«
Miss Jacobs blickte zögernd Chefinspektor Neele an. Es war ihr anzumerken, dass sie sich über Poirots Rolle nicht klar war.
»Würden Sie das bitte beantworten«, sagte Neele.
»Nein, ich glaube nicht, dass das Messer abgewaschen oder abgewischt worden war. Es war fleckig und verfärbt von einer dicken, klebrigen Masse.«
»Aha.« Poirot lehnte sich zurück.
»Ich dachte, Sie wüssten genau über das Messer Bescheid.«
Miss Jacobs sah Neele strafend an. »Hat die Polizei es denn nicht untersucht? Das ist doch wohl kaum möglich.«
»Sicher, die Polizei hat es untersucht. Aber wir – hm – wir lassen uns so was gern bestätigen.«
Sie warf ihm einen misstrauischen Blick zu. »Damit meinen Sie doch wohl, dass Sie die Glaubwürdigkeit Ihrer Zeugen prüfen wollen. Sie wollen wissen, was sie wirklich gesehen haben und wie viel sie dazuerfinden.«
Er lächelte leicht. »Bei Ihnen brauchen wir keine Zweifel zu haben, Miss Jacobs. Sie sind eine ausgezeichnete Zeugin.«
»Ja, leider. Um die Aussage vor Gericht werde ich kaum herumkommen.«
»Nein, da brauchen wir Sie noch. Vielen Dank, Miss Jacobs.« Er wandte sich den anderen zu. »Hat noch jemand eine Frage?«
Poirot nickte, und Miss Jacobs blieb in der Tür stehen. »Ja?«, fragte sie etwas unwillig.
»Ich möchte auf die Erwähnung des Namens Louise zurückkommen. Wussten Sie, wen das Mädchen meinte?«
»Nein. Wieso?«
»Besteht nicht die Möglichkeit, dass sie Mrs Louise Charpentier meinte? Die kannten Sie doch sicher?«
»Nein. Ich kannte sie nicht.«
»Aber Sie wussten, dass sie sich vor Kurzem in diesem Haus aus dem Fenster gestürzt hat?«
»Das weiß ich natürlich. Ich wusste aber nicht, dass sie Louise hieß, und ich habe sie nicht persönlich gekannt.«
»Vermutlich haben Sie auch keinen Wert darauf gelegt?«
»Das wollte ich nicht sagen, weil die Frau tot ist. Aber ich gebe zu, dass Sie Recht haben. Sie war keine angenehme Hausgenossin, und wir mussten uns öfter bei der Hausverwaltung über sie beschweren.«
»Und warum?«
»Um es geradeheraus zu sagen: Die Frau hat getrunken. Ihre Wohnung lag genau über meiner, und sie hat ständig laute Feste gefeiert, bei denen es Scherben gab, Möbel umfielen, gesungen und geschrien wurde und ein ständiges Kommen und Gehen herrschte.«
»Vielleicht war sie einsam«, sagte Poirot.
»Den Eindruck hat sie nicht gerade gemacht«, erklärte Miss Jacobs bissig. »Bei der Leichenschau wurde behauptet, dass sie wegen ihres Gesundheitszustandes deprimiert gewesen sei. Das war nichts als Einbildung! Auf mich hat sie durchaus nicht leidend gewirkt.«
Nach dieser harten Aburteilung der verstorbenen Mrs Charpentier zog Miss Jacobs sich zurück.
Poirot wandte sich an Andrew Restarick und fragte vorsichtig: »Mr Restarick, stimmt es, dass Sie Mrs Charpentier früher einmal sehr gut gekannt haben?«
Restarick schwieg eine Weile, dann seufzte er tief auf und sah Poirot an. »Ja. Aber das ist lange her. Ich habe sie sehr gut gekannt… allerdings nicht unter dem Namen Charpentier. Damals hieß sie Louise Birell.«
»Und sie stand Ihnen nahe?«
»Ja. Ich habe sie geliebt… Ich war wahnsinnig verliebt in sie! Ihretwegen habe ich meine Frau verlassen. Wir gingen nach Südafrika. Und nach kaum einem Jahr war alles vorbei! Sie kehrte nach England zurück.
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