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Die Verlassenen

Die Verlassenen

Titel: Die Verlassenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Stevens
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gebeten, eine Aktenmappe in Dr. Farrantes Büro zu bringen. Als ich ins Vorzimmer getreten bin, habe ich einen Mann aus Dr. Farrantes Büro kommen sehen. Der Mann war Tisdale, aber das habe ich erst erfahren, als ich sein Foto gestern Morgen in den Nachrichten gesehen habe.“
    „Um wie viel Uhr war das?“
    „So gegen neun, glaube ich.“
    „Hat er irgendetwas gesagt?“
    „Nein. Es war nur eine ganz kurze Begegnung. Er ist auf dem Weg nach draußen an mir vorbeigegangen. Ich habe mich dann einen Moment mit Dr. Farrante unterhalten, ihm die Mappe gegeben und mich dann wieder an meine Arbeit gemacht. Das ist alles, was ich Ihnen erzählen kann. Ich weiß nicht, ob es wichtig ist, aber ich dachte, es würde Ihnen vielleicht helfen, die genaue Tatzeit zu bestimmen.“
    „Das ist sehr pflichtbewusst von Ihnen“, sagte er. „Haben Sie mit Dr. Farrante darüber gesprochen?“
    „Nein. Ich bin seitdem noch nicht wieder in der Klinik gewesen. Als ich den Bericht in den Nachrichten gesehen habe, bin ich sofort zur Polizei gegangen.“
    „Gibt es sonst noch etwas, was Sie mir gern erzählen würden?“ Seine Augen verengten sich zu Schlitzen, und er sah sie mit einem so finsteren und starren Blick an, dass Ree wegschauen musste.
    Sie tat so, als wäre sie mit ihrem Handy beschäftigt. „Wie schon gesagt, es war eine ganz kurze Begegnung. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden ... Ich möchte nicht zu spät zu meiner Vorlesung kommen.“
    Zu Rees Erstaunen machte er keine Anstalten, sie aufzuhalten. Also lief sie die Treppe hinunter und drehte sich erst um, als sie unten angekommen war. Doch Detective Devlin war nirgends mehr zu sehen.
    Diese Nacht hatte Ree Dienst in der Klinik, und zum ersten Mal, seit sie mit sechzehn ihren ersten Teilzeitjob gehabt hatte, erwog sie, sich krank zu melden. Doch Devlin hatte sie bereits im Visier – und Dr. Farrante unglücklicherweise auch. Also war es am besten, wenn sie so weitermachte wie immer. Wenn sie so tat, als wäre überhaupt nichts passiert. Tisdales Mörder wurde hoffentlich bald gefasst, und dann konnte sie wieder tun und lassen, was sie wollte. Da war immer noch dieses Geheimnis um Violet und Ilsa, das sie gern ergründet hätte, doch sie konnte nichts tun, ohne Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Im Moment musste sie ihre Neugier und ihren Gerechtigkeitssinn bezähmen.
    Der Abend verlief reibungslos, bis Trudy ihr auftrug, Alice Canton wieder in ihr Zimmer zu bringen. Da sie sich erinnerte, wie Alice zwei Nächte zuvor auf sie reagiert hatte, rechnete Ree schon fast damit, dass die Frau vor ihr zurückschrecken würde. Doch stattdessen folgte Alice ihr widerstandslos durch den Korridor und summte sogar leise vor sich hin, als hätte sie überhaupt keine Sorgen auf dieser Welt. Doch als sie vor der Zimmertür angekommen waren, drehte sie sich um und schaute mit argwöhnischem Blick über Rees Schulter.
    „Wo ist sie?“
    „Wo ist wer?“, fragte Ree.
    „Das Mädchen in dem blauen Kleid.“
    Rees Kopfhaut begann zu kribbeln. „Ich weiß nicht.“
    „Sie kommt wieder“, sagte Alice warnend. Dann beugte sie sich vor, senkte die Stimme zu einem entsetzten Wispern. „Sie kommen immer wieder.“
    Voller Angst brachte Ree Alice in ihr Zimmer und hastete zurück zum Empfang.
    „Was ist denn mit dir los?”, fragte Trudy. „Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen.“
    „Warum sagen das immer alle?“, murmelte Ree.
    Trudy schien es nicht gehört zu haben. „Du muss mir einen Gefallen tun, bevor du Feierabend machst.“ Sie schob ihr einen dicken Stapel Krankenakten über den Schreibtisch. „Wie es aussieht, recherchiert Dr. Alden für ein neues Buch. Mit diesen Akten hier war er schon vor zwei Tagen durch, aber man kann der Tagschicht nicht zumuten, sie zurückzubringen. Sie gehören ins Verlies. Du weißt, wo das ist, nicht wahr?“
    Die meisten Krankenblätter waren in den Computer eingespeist, aber die archivierten Akten wurden in einem separaten Flügel des Krankenhauses aufbewahrt, in einem Kellerraum, dem man den Spitznamen Verlies gegeben hatte. Ree wollte lieber nicht wissen, woher diese Bezeichnung kam.
    „Da habe ich keinen Zutritt“, sagte sie.
    Trudy sah sich um. „Von mir hast du die nicht bekommen.“ Sie kritzelte eine Nummer auf die Rückseite einer Karteikarte und gab sie Ree. „Es spielt keine Rolle. Um diese Zeit ist wahrscheinlich sowieso keiner mehr da unten, und der Code ändert sich jede Woche. Leg die Akten einfach

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