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Die Verlassenen

Die Verlassenen

Titel: Die Verlassenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Stevens
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kann sich von Furcht nähren und damit noch stärker werden. Das ist der Punkt, wo Sie ins Spiel kommen. Wenn Ree das Gefäß dieses Totengeistes ist, ihr Motor sozusagen, dann müssen Sie ihr Stoßdämpfer sein.“
    „Aber wie?“
    „Indem Sie die Aufmerksamkeit des Geistwesens auf sich selbst ziehen. Dann muss es seine Kräfte aufteilen.“
    „Wie?“
    „Geister werden angezogen von menschlicher Wärme und Energie. Je größer die Energie, desto unwiderstehlicher der Reiz. Anders ausgedrückt ...“ Mit leuchtenden Augen beugte Dr. Shaw sich vor. „Erzeugen Sie nur genug Hitze, und der Totengeist wird zu Ihnen kommen.“
    Als Hayden an jenem Abend nach Hause kam, war Ree so glücklich, ihn zu sehen, dass sie ihm spontan um den Hals fiel. „Gott sei Dank. Ich hatte schon Angst, dass dir etwas passiert ist.“
    „War ich so lange weg?“ Er umarmte sie auch, doch er wirkte etwas überrascht von dieser überschwänglichen Begrüßung.
    „Wahrscheinlich kam es mir nur so vor, als hätte es ewig gedauert.“ Sie löste sich von ihm und trat einen Schritt zurück. „Ich habe geduscht. Ich hoffe, das macht dir nichts aus. Ich wollte aus diesen blutverschmierten Sachen raus. Das hier war das Einzige, was ich zum Anziehen gefunden habe.“
    Er schaute an ihr hinunter und begutachtete das Baumwollhemd, das sie aus seinem Schrank gezogen hatte. Es reichte ihr bis halb über die Oberschenkel und war länger als manche ihrer Röcke, aber irgendwie kam Ree sich darin entblößt vor.
    „Es macht mir nichts aus.“ Jetzt sah er ihr fest in die Augen. Sein Gesicht hatte einen ganz seltsamen Ausdruck. Verwirrung? Erstaunen? Sie wurde nicht recht schlau aus ihm.
    „Was ist?“, fragte sie beunruhigt.
    „Ich musste nur gerade an die Nacht auf dem Friedhof von Oak Grove denken.“
    „Was ist damit?“ Die Art und Weise, wie er sie unverwandt ansah – als würde er nicht schlau aus ihr –, war irgendwie zermürbend.
    „Glaubst du an Schicksal?“, fragte er.
    „An Schicksal?“ Mit der Frage hatte sie nicht gerechnet.
    „Glaubst du, dass es unter den vielen Menschen auf dieser Welt zwei Menschen gibt, die füreinander bestimmt sind?“
    „Ich weiß nicht. Ich glaube, darüber habe ich noch nie so richtig nachgedacht.“
    „Dann denk jetzt darüber nach. Wie groß war die Wahrscheinlichkeit, dass wir beide genau zur gleichen Zeit auf einem verlassenen Friedhof landen würden?“
    „Wenn du das so sagst ...“
    Er hatte die Arme ganz sanft um sie gelegt. Ree hätte sich jederzeit aus dieser Umarmung lösen können, doch sie war wie verzaubert von seinen Augen, die so dunkel waren wie ein mitternächtlicher Ozean. Er war irgendwie so ... anders.
    „Ich glaube, dass ich dir in jener Nacht auf diesem Friedhof begegnen sollte. Ich glaube, dass ich die letzten zehn Jahre meines Lebens auf diesen einen Augenblick hingelebt habe.“
    „Du machst mir ein bisschen Angst“, sagte Ree. „Du wirkst so ... ich weiß nicht.“
    Er beugte sich vor und presste seine Lippen an ihr Ohr. „Hab keine Angst. Das hier soll auch passieren.“
    Und sein warmer Atem strich über sie, und Ree wurde ganz still. Sie konnte nicht sprechen, konnte sich nicht bewegen. Sie konnte kaum mehr denken.
    Hayden drehte sie und zog sie an sich und schlang einen Arm um ihre Brüste, während er mit der anderen Hand ihre Haare hochschob. Sie spürte seine Lippen auf ihrem Nacken, und alles in ihr hielt inne. Sie wusste, was das bedeutete. Es war an der Zeit, weiterzumachen oder einen Schritt zurückzugehen.
    Sie legte den Kopf an seine Schulter. „Sind wir verrückt? Wir kennen uns doch kaum.“
    „Zeit ist relativ“, flüsterte er.
    Ree drehte sich zu ihm um, schlang ihm die Arme um den Hals, und dann küssten sie sich sehr lange. Als sie sich wieder voneinander lösten, bemerkte sie, dass er nicht sie ansah, sondern dass sein Blick auf etwas über ihrer Schulter gerichtet war. Schaudernd blickte sie sich um. Sie standen vor einem Fenster, und sie sah, wie sich die Scheibe mit einer ganz dünnen Schicht Raureif überzog.
    Sie spürte auch irgendetwas in der Luft, doch dann hob Hayden sie hoch, und sie schlang die Beine um seine Hüften, und ihre Körper pressten sich so dicht aneinander, dass sie kaum mehr atmen konnte. Er trug sie ins Schlafzimmer und setzte sie auf die Bettkante. Ihre Beine waren immer noch um ihn geschlungen, als sie seine Lippen mit ihren verschloss. Sie küssten sich weiter, und Ree fuhr ihm mit den Fingern durch die Haare,

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