Die Verlobte des Prinzen
Vater war zu Hause.
Duarte war – genau wie alle anderen auch –, überrascht von Enriques Energieschub. Doch der alte Herr hatte klargestellt, was er wollte: Er wollte Kate kennenlernen.
Eine Hand auf ihren Rücken gelegt, ging Duarte mit Kate die verschlungenen Flure entlang zu dem Flügel des Hauses, in dem Enrique wohnte. Dabei merkte er, wie angespannt er war.
Woher, zum Teufel, kam das? Er hatte das hier doch von Anfang an geplant, um den alten Herrn zu beruhigen. Kate und er hatten ein geschäftliches Abkommen getroffen. Warum bereitete ihm das jetzt solch ein Kopfzerbrechen?
Weil ihre Beziehung sich während der vergangenen Woche von einer geschäftlichen zu einer sehr persönlichen entwickelt und weil Kate seine Welt auf den Kopf gestellt hatte. Er wollte mehr von ihr. Immer wieder hatte sie ihn überrascht, so wie eben, als sie darauf verzichtet hatte, ihre Kamera zu der Begegnung mit dem König mitzunehmen.
Auf seine Frage hin hatte sie ihm erklärt, sie würde sich damit begnügen, am Tag von Antonios Hochzeit Fotos von Enrique zu machen. Duarte hatte es ohnehin überrascht, wie wenig Fotos sie in den letzten Tagen an den Intruder geschickt hatte. Da es jetzt jedoch einen steten Fluss neuer Bilder gab, war das Interesse an den Medinas zwar nicht abgeflaut, ließ sich so aber gut kontrollieren.
Als sie die Privatzimmer des Monarchen betraten, versuchte Duarte, sich auf die Gegenwart zu konzentrieren. Während im Anwesen überall Gemälde spanischer Meister hingen, behielt Enrique die Salvador-Dalí-Kollektion für sich. Die weichen Uhren verdeutlichten Enriques Besessenheit von der Zeit.
Sein Vater saß – gekleidet in einen schweren blauen Morgenmantel – auf dem Bett und hielt seine antike Taschenuhr in der Hand. Die Krankheit hatte ihn gezeichnet, und es sah aus, als würde er schlafen. Doch als er sie hörte, öffnete er die Augen und blickte seine Besucher wachsam und interessiert an.
„Hallo, Vater.“ Duarte behielt seine Hand auf Kates Rücken. „Dies ist Kate.“
Enrique steckte die Uhr in die Tasche und schwieg, während er Kate ausgiebig musterte. Duarte schob den Arm weiter um sie herum und zog sie noch näher an sich. „Vater?“
Kate legte kurz eine Hand auf seine, bevor sie auf das Bett zuging. „Ich freue mich, dass es Ihnen wieder besser geht, Sir.“
Noch immer sagte sein Vater nichts, und Duarte fürchtete schon, Enrique könnte es wieder schlechter gehen. Ließ jetzt auch sein sonst so scharfer Verstand nach?
Kate trat noch näher, und Duarte bewunderte die Selbstsicherheit, mit der sie seinen Vater behandelte. „Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mich setze?“
Sie noch immer aufmerksam beobachtend, deutete Enrique auf den Ledersessel neben seinem Bett.
Kate nahm Platz, und auch wenn sie sich ein wenig formeller als sonst hinsetzte, zeigte sie keine Nervosität.
Sie deutete auf eins der Gemälde. „Ich bin auch ein Fan von Dalís Uhren.“
„Haben Sie die großen Meister studiert?“
„Auf dem College habe ich als Ergänzung zu meinem Journalistikstudium Seminare in Kunstgeschichte belegt. Selbst kann ich leider nicht malen oder zeichnen, aber ich versuche, mit der Kamera Kunst einzufangen und eine Geschichte mit meinen Bildern zu erzählen.“
„Ich habe in unserer Akte über Sie ein paar von Ihren früheren Fotos gesehen. Sie haben das Auge einer Künstlerin.“
Dass Kate nicht einmal zusammenzuckte, als sie erfuhr, dass man eine Akte über sie angelegt hatte, entging auch Enrique offenbar nicht.
Sich mühsam abstützend, setzte er sich etwas weiter auf. „Es stört Sie nicht, dass wir über Sie recherchiert haben?“
„Ich habe das Geheimnis Ihrer Familie aufgedeckt. Da kann ich Ihnen wohl nicht verwehren, dass Sie auch über mich Auskünfte einziehen.“
Enrique lachte. „Mir gefällt Ihre Art zu denken, Kate Harper.“ Er nahm ihre Hand und betrachtete den Verlobungsring, bevor er nickte. „Scheint perfekt zu passen.“
Mit dieser offenkundigen Billigung lehnte sein Vater sich zurück und schloss die Augen wieder.
Das war’s? Duarte hatte irgendwie … mehr erwartet. Fragen nach einem Hochzeitstermin. Andeutungen, was Enkelkinder anging. Zumindest einen Seitenhieb auf ihren Beruf. Hatte Javier vielleicht doch recht gehabt, als er ihn beschuldigt hatte, Kate ausgewählt zu haben, um dem alten Herrn eins auszuwischen?
Wenn ja, dann war dieser Schuss eindeutig nach hinten losgegangen. Enrique und Kate schienen sich ohne viele Worte zu
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