Die Verlockung des Glücks (German Edition)
Gedächtnis ist bezüglich der Speicherung von Informationen über Personen die ich persönlich nicht kenne, ohnehin schon nicht das beste. Und Betty hat obendrein erstaunlich viele Enkelkinder.
Er sieht ein wenig irritiert von den Resten meines Essens hoch, denen er sich gerade widmet und nickt, bevor er zu Ende kaut.
„Ich spiele Football.“ Er sagt das irgendwie empört, als hätte ich etwas völlig Offensichtliches gefragt. Ich stelle mir vor, wie Matt mit derselben Entrüstung zu mir sagt: „Ich bin Papst!“ , und verkneife mir das Lachen darüber. Er soll nur nicht denken, ich würde mich mit ihm amüsieren.
„Spielst du nur als Hobby, oder lebst du davon?“ Ich habe von Football überhaupt keine Ahnung. Ich weiß natürlich, dass Football in den USA ungefähr genauso beliebt ist, wie bei uns ganz normaler Fußball und ich weiß, dass es dabei hart hergeht, aber das war es dann auch schon so ziemlich.
Matt scheint über meine Frage so erstaunt, dass er mit Essen innehält.
„Ich lebe davon.“ Er klingt, als wäre ich ein bisschen geistesgestört.
„Aha“, sage ich nur kurz. „Und bist du gut?“
„Denke schon!“ Er fängt jetzt wieder an zu essen.
Natürlich denkt er das, es gibt bestimmt nichts, von dem er denkt, dass er es nicht kann!
Ich lehne mich zurück und nippe an meinem Daiquiri.
„Was machst du denn beruflich?“ Er fragt, ohne seinen Blick von seinem Teller zu nehmen.
„Ich bin literarische Übersetzerin.“ Ich habe Literatur und Anglistik studiert und dann noch ein paar Semester Amerikanistik angehängt. Und ich bin zweisprachig aufgewachsen, sodass mir die Sprache ohnehin nicht sonderlich schwer gefallen ist. Literarische Übersetzungen sind aber trotzdem eine Kunst für sich, da sich manche Wörter nicht einfach eins zu eins in eine andere Sprache übertragen lassen. Man braucht Fingerspitzengefühl, um es zu schaffen, dass sowohl der Sinn als auch die Ästhetik eines Textes dennoch erhalten bleiben.
Aber ich bin mir sicher, dass Matthew diese Feinheiten nicht sonderlich interessieren würden, deshalb spare ich mir die Erklärungen.
„Aha“, sagt er in diesem Moment dann auch tatsächlich deutlich uninteressiert und stopft sich weiter Essen in den Mund.
Wusste ich es doch! Der Kerl ist nicht mehr, als ein Neandertaler. Er sieht nur besser aus.
„Literatur weißt du, das ist so Zeug, das man lesen kann. Fast so wie einen Comic, nur ohne Bilder und für Erwachsene!“ Ich kann die Verachtung aus meiner Stimme nicht heraushalten.
„Für Erwachsene?“, jetzt schaut er interessiert von seinem Teller hoch, „Du übersetzt also Pornos zum Lesen?“ Nur das schelmische Funkeln in seinen Augen verrät, dass er mich auf den Arm nimmt. „Aber Pornos ohne Bilder? Davon kannst du leben? Wer zum Teufel kauft denn so was? Erinnere mich bitte daran, dass ich die Rechnung für unser Essen bezahle, ich will dich heute Abend schließlich nicht in die Armut treiben!“
Ich lächele ihn ganz entspannt an.
„Sehr großzügig von dir.“ Soll er doch ruhig Geld für mich ausgeben, wenn er das gerne möchte. Mir soll es recht sein. Immerhin eine kleine Entschädigung dafür, dass ich den Abend mit diesem Affen verbringen muss.
Matthew isst in aller Ruhe seinen Teller leer, bis auch das letzte Salatblatt verschwunden ist und ich schaue ihm, schweigend und mit verschränkten Armen, dabei zu.
„Wo wolltest du denn heute ursprünglich hingehen?“, nachdem das Essen seine Aufmerksamkeit nicht mehr in Anspruch nimmt, kann er offenkundig auch wieder mit mir reden, sogar in ganzen Sätzen. Ich habe natürlich Verständnis dafür, dass es einen Neandertaler überfordert, beim Essen Konversation zu betreiben, aber mir war langsam tatsächlich etwas langweilig.
„In einen Klub, der neu eröffnet hat, mein Bruder wollte dort unbedingt hin.“
„Dann ist dein Bruder also derjenige, der dich heute Abend versetzt hat? Kein seltsamer Liebhaber, der heute Abend noch hier auftauchen könnte?“
Seltsamer Liebhaber? Was soll das denn bitte heißen? Als ob sich normale Männer nicht für mich interessieren würden!
„Kein seltsamer Liebhaber , von dem du heute Abend noch Prügel befürchten musst, mach dir keine Sorgen. Du bist ganz und gar sicher bei mir, mein Junge.“ Ich tätschele ihm beruhigend den Unterarm. Als meine Hand seine nackte Haut berührt, fühle ich, wie sich seine Muskeln unter meiner Hand kurz anspannen und dann wieder
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