Die Verlockung des Glücks Teil 2
ihm.
Und trotzdem habe ich manchmal so schlimm Heimweh, dass ich am liebsten meine Zelte hier abbrechen würde. Ich vermisse meinen Bruder und mein kleines Haus, in dem ich jede Menge Aufgaben hatte. Ich langweile mich und fühle mich unselbstständig. Keine Ahnung, woran es liegt, dass ich mir hier so nutzlos vorkomme. In Deutschland bin ich auch die meiste Zeit alleine gewesen, manchmal sogar tagelang.
Aber wenn ich jetzt hier alleine bin, dann fühle ich mich unruhig und rastlos; ich fühle mich, wie ein Tiger im Käfig. Ich fühle mich hier merkwürdig unerfüllt und werde von einer Unruhe ergriffen, die von Tag zu Tag zunimmt und die ich zu Hause nicht von mir kannte. Zu Hause war eben zu Hause. Ich hatte immer etwas zu tun, der Garten musste gepflegt werden, die Wäsche musste gewaschen und das Haus sauber gehalten werden. So oft ich diese Tätigkeiten vorher auch verflucht habe, jetzt vermisse ich sie. Ein paar Mal habe ich schon ernsthaft darüber nachgedacht, Matt zu bitten, seine Haushälterin und seinen Gärtner nicht mehr herkommen zu lassen. Ich will nur nicht, dass die beiden ihren gut bezahlten Job hier verlieren.
An meiner Arbeit als Übersetzerin habe ich vorher immer besonders gerne gemocht, dass ich sie von meinem eigenen Schreibtisch aus (und von jedem anderen Ort der mir gefällt) erledigen konnte. Und ohne diese Flexibilität hätte ich auch nie so einfach zu Matthew fliegen können. Mit einem normalen Bürojob, den ich hätte aufgeben und kündigen müssen, wäre natürlich alles noch viel komplizierter gewesen. Jetzt aber bereue ich diesen Umstand zum ersten Mal, seit ich mit diesem Job mein Geld verdiene. Ich würde mir wünschen, eine Arbeit zu haben, die mich tagtäglich dazu zwingt, aus dem Haus zu gehen. Und die dazu führt, dass ich zwangsläufig Kontakt zu anderen Menschen bekommen muss.
Ich weiß, dass es Menschen gibt, denen es furchtbar leicht fällt, selbst bei so banalen Dingen wie einem Lebensmitteleinkauf neue Freundschaften zu knüpfen : Aber ich gehöre leider nicht dazu. Wenn ich das versuche, dann lerne ich nur Menschen wie Chelsea kennen, eben genau solche Menschen, die ich prinzipiell lieber nicht gekannt hätte.
Ich fühle mich manchmal, als hätte ich gar kein eigenes Leben mehr . Als würde ich nur noch wirklich leben, wenn ich mit Matt zusammen bin. Und das tut mir alles andere als gut. Nur weiß ich auch nicht, wie ich diese Problematik beseitigen soll. Neue Aufgaben und neue Freunde, die mein Leben erfüllter machen und mir das Gefühl von mehr Selbstständigkeit geben würden, lassen sich auch nicht mal so eben an der nächsten Straßenecke auftreiben. Und die kulturellen Unterschiede, die es durchaus gibt, vereinfachen mir die ganze Angelegenheit auch nicht unbedingt. Ich bin schon unendlich froh, dass zumindest die sprachliche Ebene keine Barriere für mich darstellt, da ich ja zweisprachig aufgewachsen bin.
Ich habe hier einfach noch keinen Platz für mich g efunden. Zumindest keinen, der sich auch gut anfühlt, wenn Matt und ich mal nicht zusammen sein können, was leider ziemlich oft der Fall ist.
Seufzend suche ich meine Sachen zusammen und gehe einkaufen. Schon mehrfach hat Matt mir vorgeschlagen, dass ich die Sachen der Bequemlichkeit halber doch einfach liefern lassen soll, aber ich mag die Routine und die Normalität beim Einkaufen. Und ich bin heimlich verliebt in die vielen, amerikanischen Lebensmittel, die ich noch nicht kenne.
Auch die Drogerieabteilung im Supermarkt zieht mich magisch an. Es ist unglaublich, was es hier alles zu kaufen gibt.
Eher zufällig fällt mein Blick diesmal auf die vielen Artikel, die ein strahlend weißes Lächeln und somit neues Selbstbewusstsein versprechen. Ehe ich weiß, was ich da tue, landet eines davon in meinem Einkaufskorb.
Gebleichte Zähne, Sophie? Wirklich?
Eigentlich wollte ich nie eine von diesen oberflächlichen Frauen werden, die sich nicht mehr trauen, die Stirn zu runzeln, weil sie Angst vor Falten haben. Aber ein bisschen weißere Zähne können schließlich nicht schaden. Ich versuche es mir selbst schön zu reden, dass ich offenkundig den ersten Schritt in Richtung eines Schönheitswahns gemacht habe, über den ich zuvor immer nur die Nase gerümpft habe. Ich nehme mir fest vor, in Zukunft auch diesbezüglich ein bisschen toleranter zu sein. Und Nase rümpfen zu vermeiden. Schon allein wegen der Falten und so. Vielleicht sollte ich einfach jegliche Mimik vermeiden, dann könnte ich
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