Die Verlockung des Glücks Teil 2
ziemliche Zweifel, ob das alles so klappen würde, aber es ist wirklich super. Die Kids sind total motiviert und kreativ, wir haben Stellen aus klassischen Shakespearestücken beispielsweise als Rap umgeschrieben. Als richtig guten Rap, nicht einfach nur so peinliche, rhythmisch gesprochene Texte. Es gibt Streetdanceeinlagen und all solche Dinge eben.“ Sarah bekommt einen schwärmerischen Gesichtsausdruck. „Aber jetzt haben wir ein Problem. Meine Kollegin ist gestern im sechsten Monat mit vorzeitigen Wehen ins Krankenhaus gekommen und in zwei Wochen soll die Aufführung stattfinden. Im Prinzip laufen die Proben super, doch es gibt noch ein paar Stellen, die dringend ein bisschen bearbeitet und umgeschrieben werden müssten … Die Jugendlichen machen das toll, aber sie brauchen Unterstützung. Und ich bin Theaterpädagogin, ich habe keine, aber auch wirklich überhaupt keine Ahnung von Literatur. Und deshalb wollte ich dich fragen … nein, tatsächlich wollte ich dich anflehen, damit du uns bitte hilfst!“ Sie setzt einen Dackelblick auf und ich muss lachen.
„Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich die Richtige dafür bin. Ich habe so etwas noch nie gemacht“, gebe ich vorsichtig zu bedenken.
„Ich glaube, wenn du die Texte siehst und liest und hörst, was wir bisher bearbeitet haben, dann ist es vermutlich ganz einfach. Wenn man ein bisschen Gefühl für so etwas hat. Ich habe von diesem Part einfach nur sehr wenig Ahnung. Mal davon abgesehen kann ich unmöglich Beides leisten.“
All zu lange muss ich nicht darüber nachdenken. Mir ist heute jede Abwechslung willkommen und diese hier bewirkt obendrein auch noch etwas Gutes.
„Jetzt sofort?“
Sarah nickt.
„Gib mir fünf Minuten, ich muss noch ein paar Sachen einpacken“
„Oh! Danke, danke, danke!“ Sarah ist vom Stuhl aufgesprungen und fällt mir um den Hals. Schmunzelnd erwidere ich kurz ihre Umarmung, bevor ich mich daraus befreie, um mein Handy, meine Schmerztabletten sowie Kugelschreiber, Bleistift und Notizblock in meine Handtasche zu werfen.
Kapitel 26
Nach einem halben Tag voller Lachen, voller Theater, Literatur und motivierter Menschen fährt mich Sarah abends wieder zurück zu Matthews Haus.
Die ganze Zeit habe ich mich gut gefühlt. Die Arb eit mit den Jugendlichen, die Arbeit mit Literatur und die Arbeit mit Sarah, all das hat mich heute sehr erfüllt. Es hat mir gut getan, unter Menschen zu sein und meinen schmerzenden Arm habe ich dabei fast vergessen. Sarah sprüht nur so vor Energie und ihr Theaterprojekt ist einfach super.
Jetzt stehe ich vor der Haustür, ignoriere die Fotografen und mir wird bewusst, dass dahinter niemand auf mich wartet und ich heute die ganze Nacht alleine hier verbringen muss. Das erste Mal seit Stunden beginnt mein Arm wieder merklich wehzutun, wobei sich die Schmerzen bis in die Fingerspitzen ziehen und ich die rechte Hand kaum bewegen mag. Mit der linken Hand bin ich zu doof die Tür aufzuschließen und der blöde Schlüssel rutscht mir schon zum zweiten Mal aus der Hand und landet laut scheppernd auf dem Fußboden.
Hinter mir höre ich das Zuschlagen einer Autotür und kurz danach spüre ich eine Berührung an meiner Schulter. Erschrocken fahre ich herum und blicke in Sarahs bernsteinfarbene Augen. Mein erschrockenes Gesicht registrierend, hebt sie in einer beschwichtigenden Geste die Hände hoch. Erleichterung durchflutet mich, als mir klar wird, dass es nur Sarah ist, und keine durchgeknallte Chelsea oder ein bewaffneter Einbrecher mir auflauern.
„Ich wollte dich nicht erschrecken! Ich habe nur verges sen, noch ein paar Details mit dir zu besprechen und dachte, ich könnte vielleicht noch einen Moment mit reinkommen und wir bestellen uns etwas zu essen …“
„Na klar!“ Ich bücke mich nach dem Schlüssel und Sarah nimmt ihn mir aus der Hand und schließt auf.
Dann lässt sie mir den Vortritt und nach einigem Hin und Her mit der neuen Alarmanlage landen wir, genau wie heute Nachmittag, wieder in der Küche.
Ich bin froh, dass ich erst mal nicht alleine hier sein muss, Sarah tut mir gut. Sie ist fröhlich, energiegeladen un d lebenslustig, was ich selbst manchmal so gar nicht bin. Sie wirkt auf mich … irgendwie lindernd. Ausgleichend und harmonisierend. Oder vielleicht sind es auch die Kids gewesen, die mich mit ihrem Enthusiasmus angesteckt haben. Was auch immer es war, es hat dafür gesorgt, dass ich mich das erste Mal seit ich hier bin, auch ohne Matt gut, gebraucht und
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