Die verlorene Bibliothek: Thriller
konnte nur hoffen, dass es noch nicht zu spät war.
KAPITEL FÜNFUNDNEUNZIG
A LEXANDRIA , Ä GYPTEN – 23:46 U HR
Die beiden Freunde marschierten im Gleichschritt durch die dunklen Gänge. Obwohl keiner von ihnen eine militärische Ausbildung genossen hatte, arbeiteten und bewegten sie sich so, doch mit einer Leidenschaft, die ein Soldat für gewöhnlich nicht aufbrachte. Sie nahmen jeden Auftrag persönlich. Sie dienten dem Rat, der einzig wahren Macht auf dieser Welt. Dem Rat, der über Jahrhunderte hinweg Macht und Einfluss gesammelt hatte, um die Bibliothek und ihre gewaltigen Ressourcen endlich ihrem eigentlichen Zweck zuzuführen: Erobern und Herrschen.
Heute Nacht sollte dieses Ziel auf eine Art vorangetrieben werden, die die beiden Freunde nur allzu gut kannten und für die sie perfekt ausgebildet waren. Die meisten Menschen hätten ihre Arbeit sicherlich als finster, ja sogar als morbide betrachtet, doch den beiden war sie heilig.
Die Bibliotheca Alexandrina war geschlossen und abgesehen von ein paar Sicherheitslichtern fast vollkommen dunkel. Doch die beiden Männer wussten genau, wo sie hinwollten, und so hatten sie problemlos den Weg nach unten gefunden. Athanasius Antoun wollte die Nacht durcharbeiten, was hieß, dass er in der Falle saß, und das wiederum machte ihre Arbeit leicht.
Als sie sein Büro erreichten, blieben die beiden Männer stehen. Der erste legte die Hand auf die Klinke und drückte sie vorsichtig nach unten. Die Tür war noch nicht einmal abgeschlossen. Der arme Narr.
Der zweite Freund zog seine Glock und lud die Waffe durch. Einen Augenblick später stieß sein Kollege die Tür auf, und die Männer stürmten voller Blutdurst in den kleinen Raum.
KAPITEL SECHSUNDNEUNZIG
23:58 U HR
Athanasius rannte einen langen, unbeleuchteten Korridor entlang und betete, dass seine Ortskenntnis ihm einen Vorteil verschaffen würde. Obwohl sie sich bemüht hatten, so leise wie möglich zu sein, hatte er die beiden Männer näher kommen gehört. In einem menschenleeren Keller, mitten in der Nacht, waren selbst die leisesten Schritte zu hören. Und Athanasius wusste, warum sie gekommen waren. Voller Angst hatte er sich daraufhin die Schuhe ausgezogen und war auf Socken in die Dunkelheit hinausgeschlichen.
» Der Bastard ist nicht hier! «, hörte Athanasius einen Ruf hinter sich. Nachdem sie ihn in seinem Büro nicht gefunden hatten, hielten seine Verfolger weitere Heimlichkeit wohl für überflüssig. » Ihm nach! «, ertönte der nächste Ruf.
Athanasius bog um eine Ecke und stieg die kleine Treppe ins zweite Untergeschoss hinunter. Das Licht des Notausgangs war nur ein fernes grünes Glühen, aber Athanasius rannte so schnell ihn seine Beine trugen. Hinter ihm waren die schweren Schritte seiner Verfolger auf dem Beton zu hören, und sie kamen immer näher.
Athanasius erreichte das Ende des Hauptgangs in Stockwerk B und versuchte eine der Bürotüren zu öffnen. Sie war abgeschlossen. Sein Blutdruck stieg, und er versuchte es an der nächsten. Diese Tür ließ sich öffnen, und Athanasius schlüpfte hinein. Er machte die Tür hinter sich wieder zu und schloss kurz die Augen, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen; dann ging er um einen Tisch herum zum anderen Ende des Raums. Dort kauerte er sich nieder und atmete so leise es ging tief durch. Das Blut dröhnte in seinen Ohren.
Die schweren Schritte hallten weiter durch den Gang. Dann und wann wechselten sie die Richtung, mal waren sie lauter, mal leiser, mal näher, mal weiter weg. Und dann schienen sie schließlich endgültig in der Ferne zu verhallen. Es folgte eine lange Stille, und Athanasius seufzte erleichtert. Wer auch immer es war, den der Rat ihm auf den Hals gehetzt hatte, er hatte sein Versteck nicht gefunden.
Sicherheitshalber wartete Athanasius noch einen Moment und zwang sich, den bitteren Geschmack der Angst herunterzuschlucken.
Einen Augenblick später flog die Tür des kleinen Raums auf, und Athanasius wurde von zwei Taschenlampen geblendet. Bevor er reagieren konnte, sprang der Freund mit der Waffe durch das Büro, packte Athanasius an den Haaren, riss den Kopf des Ägypters zurück und schob ihm den Lauf der Waffe in den Hals.
»Nicht so laut, bitte«, bemerkte der zweite Mann ruhig und schaltete das Licht im Zimmer an. Athanasius kämpfte mit dem Würgereiz.
»Dr. Athanasius Antoun, wir suchen Sie schon eine ganze Weile«, fuhr der zweite Freund fort. »Und jetzt sind wir endlich glücklich vereint.« Er nickte
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