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Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Titel: Die verlorene Ehre der Katharina Blum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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der anonyme Anrufer, die anonyme Post – und dann noch
    die ZEITUNG vom Samstag und außerdem (hier wird vorgegriffen!) die
    SONNTAGSZEITUNG. Sind solche Spekulationen nicht überflüssig: Sie hat
    den Mord geplant und ausgeführt – und damit basta! Gewiß ist, daß sich in
    ihr etwas »gesteigert hat« – daß die Äußerungen ihres ehemaligen Ehemanns
    sie besonders aufgebracht haben, und ganz gewiß ist, daß alles, was dann in
    der SONNTAGSZEITUNG stand, wenn nicht auslösend, so doch keineswegs
    beruhigend gewirkt haben kann.
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    Heinrich Böll
    Die verlorene Ehre der Katharina Blum
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    Bevor der Rückstau endgültig als beendet betrachtet werden und wieder
    auf Samstag geblendet werden kann, muß nur noch über den Verlauf des
    Freitagabends und der Nacht von Freitag auf Samstag bei Frau Woltersheim
    berichtet werden. Gesamtergebnis: überraschend friedlich. Ablenkungsversuche
    von Konrad Beiters, der Tanzmusik auflegte, südamerikanische sogar, und
    Katharina zum Tanzen bewegen wollte, scheiterten zwar, es scheiterte auch der
    Versuch, Katharina von der ZEITUNG und ihrer anonymen Post zu trennen; was
    ebenfalls scheiterte, war der Versuch, das alles als nicht so schrecklich wichtig
    und vorübergehend darzustellen. Hatte man nicht Schlimmeres überstanden:
    das Elend der Kindheit, die Ehe mit diesem miesen Brettloh, die Trunksucht
    und »milde ausgedrückt Verkommenheit von Mutter, die ja letzten Endes doch
    auch für Kurts Straucheln verantwortlich ist«. War Götten nicht zunächst in
    Sicherheit und sein Versprechen, sie zu holen, ernst zu nehmen? War nicht
    Karneval, und war man nicht finanziell gesichert? Gabs nicht so furchtbar nette
    Leute wie die Blornas, die Hiepertz, und war nicht auch der »eitle Fatzke« – man
    scheute sich immer noch, den Herrenbesuch beim Namen zu nennen – im
    Grunde eine belustigende und keineswegs eine bedrückende Erscheinung? Da
    widersprach Katharina und verwies auf den »idiotischen Ring und den affigen
    Briefumschlag«, die sie beide fürchterlich in die Klemme gebracht und sogar
    Ludwig in Verdacht gebracht hätten. Hatte sie wissen können, daß dieser Fatzke
    sich seine Eitelkeit so viel würde kosten lassen? Nein, nein, belustigend fand sie
    den nun gar nicht. Nein. Als man praktische Dinge besprach – etwa, ob sie denn
    eine neue Wohnung suchen und ob man nicht schon überlegen solle, wo —, wich
    Katharina aus und sagte, das einzig praktische, was sie vorhabe, wäre, sich ein
    Karnevalskostüm zu machen, und sie bat Else leihweise um ein großes Bettuch,
    denn sie habe vor, angesichts der Scheichmode selbst am Samstag oder Sonntag
    als Beduinenfrau »loszuziehen«. Was ist denn eigentlich Schlimmes passiert? Fast
    nichts, wenn man es genau betrachtet, oder besser gesagt: fast nur Positives, denn
    immerhin hat Katharina den, »der da kommen sollte«, wirklich getroffen, hat mit
    ihm »eine Liebesnacht verbracht«, nun gut, sie ist verhört bzw. vernommen
    worden, und offenbar ist Ludwig wirklich »kein Schmetterlingsfänger«. Dann
    hat es den üblichen Dreck in der ZEITUNG gegeben, ein paar Säue haben
    anonym angerufen, andere haben anonym geschrieben. Geht denn das Leben
    nicht weiter? Ist Ludwig nicht bestens – und wie nur sie, sie ganz allein weiß,
    geradezu komfortabel untergebracht? Jetzt nähen wir ein Karnevalskostüm, in
    dem Katharina entzückend aussehen wird, einen weißen Frauenburnus; hübsch
    wird sie darin »losziehen«.
    Schließlich verlangt sogar die Natur ihr Recht, und man schläft ein, nickt
    ein, erwacht wieder, nickt wie – der ein. Trinkt man schließlich ein Gläschen
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    miteinander? Warum nicht? Ein durch und durch friedliches Bild: eine junge
    Frau, die über einer Näharbeit eingenickt ist, während eine ältere Frau und ein
    älterer Mann sich vorsichtig um sie herumbewegen, damit »die Natur ihr Recht
    bekommt«. Die Natur bekommt so sehr recht, daß Katharina nicht einmal vom
    Telefon, das gegen zweieinhalb Uhr früh klingelt, geweckt wird. Wieso fangen
    plötzlich der nüchternen Frau Woltersheim die Hände an zu flattern, wenn sie
    den Telefonhörer ergreift? Erwartet sie anonyme Zärtlichkeiten, wie sie sie ein
    paar Stunden vorher erfahren hat? Natürlich ist zweieinhalb Uhr morgens eine
    bange Zeit zum Telefonieren, aber sie ergreift den Hörer, den ihr Beiters sofort
    aus der Hand nimmt, und als er »Ja?« sagt, wird sofort wieder aufgelegt. Und

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