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Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Titel: Die verlorene Ehre der Katharina Blum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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werden, obwohl es unglaubwürdig klingt) als Scheich verkleideter
    Herr, der sich in offensichtlicher Distanzierungsqual in die Ecke drückte, zum
    Glück aber schon im vierten Stock ausstieg, und eine (es klingt verrückt, aber
    was wahr ist, ist wahr) als Andalusierin verkleidete Dame, die, durch eine
    Gesichtsmaske gedeckt, keineswegs von Katharina abrückte, sondern direkt
    neben ihr stehenblieb und sie aus »frechen, harten, braunen Augen« dreist und
    neugierig musterte. Sie fuhr über den achten Stock hinaus.
    Zur Warnung: es kommt noch schlimmer. Endlich in ihrer Wohnung, bei
    deren Betreten sich Katharina regelrecht an Beiters und Frau W. anklammerte,
    klingelte das Telefon, und hier war Frau W. schneller als Katharina, sie rannte los,
    nahm den Hörer ab, man sah ihren entsetzten Gesichtsausdruck, sah sie bleich
    werden, hörte sie »Sie verdammte Sau, Sie verdammte feige Sau« murmeln, und
    klugerweise legte sie den Hörer nicht wieder auf, sondern neben die Gabel.
    Vergeblich versuchten Frau W. und Beiters gemeinsam, Katharina ihre Post
    zu entreißen, sie hielt den Packen Briefe und Drucksachen fest umklammert,
    zusammen mit den beiden Ausgaben der ZEITUNG, die sie ebenfalls ihrer
    Tasche entnommen hatte, und bestand darauf, die Briefschaften zu öffnen. Es
    war nichts zu machen. Sie las das alles!
    Es war nicht alles anonym. Ein nicht anonymer Brief – der umfangreichste
    — kam von einem Unternehmen, das sich Intim-Versandhaus nannte und ihr
    alle möglichen Sex-Artikel anbot. Das war für Katharinas Gemüt schon ziemlich
    starker Tobak, schlimmer noch, daß jemand handschriftlich dazugeschrieben
    hatte: » Das sind die wahren Zärtlichkeiten«. Um es kurz, oder noch besser:
    statistisch zu machen: von den weiteren achtzehn Briefschaften waren
    sieben anonyme Postkarten, handschriftlich mit »derben« sexuellen Offerten,
    die alle irgendwie das Wort »Kommunistensau« verwendet hatten
    vier weitere anonyme Postkarten enthielten politische Beschimpfungen ohne
    sexuelle Offerten. Es ging von »roter Wühlmaus« bis »Kreml-Tante«
    fünf Briefe enthielten Ausschnitte aus der ZEITUNG, die zum größeren Teil,
    etwa drei bis vier – mit roter Tinte am Rand kommentiert waren, u. a. folgenden
    Inhalts: »Was Stalin nicht geschafft hat, Du wirst es auch nicht schaffen«
    zwei Briefe enthielten religiöse Ermahnungen, in beiden Fällen auf beigelegte
    Traktate geschrieben »Du mußt wieder beten lernen, armes, verlorenes Kind«
    und »knie nieder und bekenne, Gott hat dich noch nicht aufgegeben«.
    Und erst in diesem Augenblick entdeckte Else W. einen unter die Tür
    geschobenen Zettel, den sie zum Glück tatsächlich vor Katharina verbergen
    konnte: »Warum machst du keinen Gebrauch von meinem Zärtlichkeitskatalog?
    Muß ich dich zu deinem Glück zwingen? Dein Nachbar, den du so schnöde
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    Die verlorene Ehre der Katharina Blum
    abgewiesen hast. Ich warne dich.« Das war in Druckschrift geschrieben, an der
    Else W. akademische, wenn nicht ärztliche Bildung zu erkennen glaubte.
    35.
    Es ist schon erstaunlich, daß weder Frau W. noch Konrad B. erstaunt waren, als
    sie nun, ohne an irgendeine Form des Eingreifens zu denken, beobachteten, wie
    Katharina an die kleine Hausbar in ihrem Wohnraum ging, je eine Flasche Sherry,
    Whisky, Rotwein und eine angebrochene Flasche Kirschsirup herausnahm
    und ohne sonderliche Erregung gegen die makellosen Wände warf, wo sie
    zerschellten, zerflossen.
    Das gleiche machte sie in ihrer kleinen Küche, wo sie Tomatenketchup,
    Salatsauce, Essig, Worcestersauce zum gleichen Zweck benutzte. Muß
    hinzugefügt werden, daß sie gleiches in ihrem Badezimmer mit Cremetuben,
    -flaschen, Puder, Pulvern, Badeingredienzien – und in ihrem Schlafzimmer mit
    einem Flacon Kölnisch Wasser tat?
    Dabei wirkte sie planvoll, keineswegs erregt, so überzeugt und überzeugend,
    daß Else W. und Konrad B. nichts unternahmen.
    36.
    Es hat natürlich ziemlich viele eorien gegeben, die den Zeitpunkt
    herauszuanalysieren versuchten, an dem Katharina die ersten Mordabsichten
    faßte oder den Mordplan ausdachte und sich dazu entschloß, ihn auszuführen.
    Manche denken, daß schon der erste Artikel am Donnerstag in der ZEITUNG
    genügt habe, wieder andere halten den Freitag für den entscheidenden Tag, weil
    an diesem Tag die ZEITUNG immer noch keinen Frieden gab und Katharinas
    Nachbarschaft und Wohnung, an der sie so hing, sich als (subjektiv jedenfalls)
    zerstört erwies;

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