Die verlorene Ehre der Katharina Blum
Übrigens
habe sich dieser Karl kurz danach, ohne sich recht zu verabschieden, entfernt.
32.
Katharina Blum, die noch einmal zur Vernehmung vorgeführt wurde, bestätigte
das Telefongespräch, das sie mit Hertha Scheumel geführt hatte, bestritt aber
nach wie vor, es habe sich um eine Verabredung zwischen ihr und Götten
gehandelt. Es wurde ihr nämlich, nicht von Beizmenne, sondern von dem
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Heinrich Böll
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jüngeren der beiden Staatsanwälte, Dr. Korten, nahegelegt, doch zuzugeben, daß,
nachdem sie mit Hertha Scheumel telefoniert habe, Götten sie angerufen habe,
und daß sie auf raffinierte Weise diesen ins Café Polkt geschickt und ihn veranlaßt
habe, die Scheumel anzusprechen, um so unauffällig mit ihr bei der Woltersheim
zusammenzutreffen. Das sei sehr einfach möglich gewesen, da die Scheumel eine
ziemlich aufgedonnerte, auffällige Blondine sei. Katharina Blum, inzwischen fast
völlig apathisch, schüttelte nur den Kopf, während sie da saß und die beiden
Ausgaben der ZEITUNG nach wie vor mit der rechten Hand umklammerte. Sie
wurde dann entlassen und verließ gemeinsam mit Frau Woltersheim und deren
Freund Konrad Beiters das Präsidium.
33.
Als man die unterschriebenen Vernehmungsprotokolle noch einmal durchsprach
und auf mögliche Befragungslücken überprüfte, warf Dr. Korten die Frage auf,
ob man denn nun nicht ernsthaft versuchen müsse, dieses Scheichs mit dem
Namen Karl habhaft zu werden und dessen höchst obskure Rolle in dieser Sache
zu untersuchen. Er sei doch sehr erstaunt, daß noch keinerlei Maßnahmen zu
einer Fahndung nach ›Karl‹ eingeleitet worden seien. Schließlich sei doch dieser
Karl offensichtlich zusammen, wenn nicht gemeinsam mit Götten im Café Polkt
aufgetaucht, habe sich ebenfalls in die Party gedrängt, und seine Rolle erscheine
ihm, Korten, doch recht undurchsichtig, wenn nicht verdächtig.
Hier brachen nun alle Anwesenden in Lachen aus, sogar die zurückhaltende
Kriminalbeamtin Pletzer erlaubte sich ein Lächeln. Die Protokollführerin, Frau
Anna Lockster, lachte so vulgär, daß sie von Beizmenne zurechtgewiesen werden
mußte. Und da Korten immer noch nicht begriff, klärte ihn sein Kollege Hach
schließlich auf. Ob Korten denn nicht klargeworden oder gar aufgefallen sei, daß
Kommissar Beizmenne den Scheich absichtlich übergangen oder unerwähnt
gelassen habe? Es sei doch offensichtlich, daß er einer »unserer Leute« sei und
das angebliche Selbstgespräch auf der Toilette nichts weiter als eine – allerdings
ungeschickt betriebene – Benachrichtigung seiner Kollegen per Minifunkgerät,
die Verfolgung des Götten und der Blum, deren Adresse natürlich inzwischen
bekannt gewesen sei, aufzunehmen. »Und gewiß ist Ihnen ebenfalls klar, Herr
Kollege, daß in dieser Karnevalssaison Scheichkostüme die beste Tarnung sind,
denn heuer sind aus naheliegenden Gründen Scheichs beliebter als Cowboys.«
»Natürlich«, fügte Beizmenne hinzu, »war uns von vornherein klar, daß der
Karneval es den Banditen erleichtern würde unterzutauchen und es uns
erschweren würde, auf der heißen Spur zu bleiben, denn Götten wurde schon
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seit sechsunddreißig Stunden auf Schritt und Tritt verfolgt. Götten, der übrigens
nicht verkleidet war, hatte auf einem Parkplatz, von dem er später den Porsche
stahl, in einem VW-Bus übernachtet, hatte später in einem Café gefrühstückt, auf
dessen Toilette er sich rasierte und umzog. Wir haben ihn keine Minute aus dem
Auge verloren, etwa ein Dutzend als Scheichs, Cowboys und Spanier verkleidete
Beamte, alle mit Minifunkgeräten ausgestattet, als verkaterte Ballheimkehrer
getarnt, waren auf seiner Spur, um Kontaktversuche sofort zu melden. Die
Personen, mit denen Götten bis zum Betreten des Café Polkt in Berührung kam,
sind alle erfaßt und überprüft worden:
ein Schankkellner, an dessen eke er Bier trank
zwei Mädchen, mit denen er in einem Altstadtlokal tanzte
ein Tankwart in der Nähe Holzmarkt, wo er den gestohlenen Porsche
auftankte
ein Mann am Zeitungskiosk in der Matthiasstraße
ein Verkäufer in einem Zigarettenladen
ein Bankbeamter, bei dem er siebenhundert amerikanische Dollar tauschte,
die wahrscheinlich aus einem Bankraub stammen.
Alle diese Personen sind eindeutig als Zufalls-, nicht als Plankontakte
identifiziert worden, und keins der mit jeder einzelnen
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