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Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Titel: Die verlorene Ehre der Katharina Blum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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es
    klingelt wieder, und wieder wird, sobald er aufgenommen, noch bevor er »Ja?«
    gesagt hat, aufgelegt. Natürlich gibt es auch Leute, die einem den Nerv töten
    wollen, seitdem sie aus der ZEITUNG erfahren haben, wie man heißt und wo
    man wohnt, und es ist besser, den Hörer nicht mehr aufzulegen.
    Und da hat man sich vorgenommen, Katharina wenigstens vor der
    Samstagsausgabe der ZEITUNG zu bewahren, sie aber hat ein paar
    Augenblicke wahrgenommen, in denen Else W. eingeschlafen ist und Konrad
    B. sich im Badezimmer rasiert, ist auf die Straße geschlichen, wo sie in der
    Morgendämmerung den ersten besten ZEITUNGSkasten aufgerissen und
    eine Art Sakrileg begangen hat, denn sie hat das VERTRAUEN der ZEITUNG
    mißbraucht, indem sie eine ZEITUNG herausnahm, ohne zu bezahlen! In diesem
    Augenblick kann der Rückstau für vorläufig beendet erklärt werden, denn es ist
    genau um die Zeit, in der die Blornas an eben diesem Samstag zerknittert, gereizt
    und traurig aus dem Nachtzug steigen und die gleiche Ausgabe der ZEITUNG
    erwischen, die sie später zu Hause studieren werden.
    38.
    Bei Blornas ist ein ungemütlicher Samstagmorgen, äußerst ungemütlich, nicht
    nur wegen der fast schlaflosen, zerrüttelten und verschüttelten Nacht im
    Schlafwagen, nicht nur wegen der ZEITUNG, von der Frau Blorna sagte, diese
    Pest verfolge einen in die ganze Welt, nirgendwo sei man sicher; ungemütlich
    nicht nur wegen der vorwurfsvollen Telegramme einflußreicher Freunde und
    Geschäftsfreunde, von der »Lüstra«, auch Hachs wegen, den man zu früh,
    einfach zu früh (und auch wieder zu spät, wenn man bedachte, daß man ihn
    besser schon am Donnerstag angerufen hätte) am Tage anrief. Er war nicht
    sehr freundlich, sagte, die Vernehmung von Katharina sei abgeschlossen, er
    könne nicht sagen, ob ein Verfahren gegen sie eröffnet würde, im Augenblick
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    Heinrich Böll
    Die verlorene Ehre der Katharina Blum
    bedürfe sie sicher des Beistands, aber noch nicht eines Rechtsbeistandes. Hatte
    man vergessen, daß Karneval war und auch Staatsanwälte ein Recht auf einen
    Feierabend und gelegentliche Feiern haben? Nun, immerhin kennt man sich
    schon seit  Jahren, hat miteinander studiert, gepaukt, Lieder gesungen, sogar
    Wanderungen gemacht, und da nimmt man die ersten Minuten schlechter Laune
    nicht so wichtig, zumal man selbst sich so äußerst ungemütlich fühlt, aber dann
    – und das von einem Staatsanwalt – die Bitte, weiteres doch lieber mündlich
    und nicht gerade fernmündlich zu besprechen. Ja, belastet sei sie, manches
    sei äußerst unklar, aber nicht mehr, vielleicht später am Nachmittag mündlich.
    Wo? In der Stadt. Ambulierenderweise am besten. Im Foyer des Museums.
    Sechzehnuhrdreißig. Keine telefonische Verbindung mit Katharinas Wohnung,
    keine mit Frau Woltersheim, keine beim Ehepaar Hiepertz.
    Ungemütlich auch, daß das Fehlen von Katharinas ordnender Hand so rasch
    und so deutlich spürbar wurde. Wie kommt es bloß, daß innerhalb einer halben
    Stunde, obwohl man doch nur Kaffee aufgegossen, Knäckebrot, Butter und
    Honig aus dem Schrank geholt und die paar Gepäckstücke in die Diele gestellt
    hat, schon das Chaos ausgebrochen zu sein scheint, und schließlich wurde sogar
    Trude gereizt, weil er sie immer wieder und immer wieder fragte, wo sie denn da
    einen Zusammenhang sehe zwischen Katharinas Affäre und Alois Sträubleder
    oder gar Lüding, und sie ihm so gar nicht entgegenkam, nur immer wieder
    in ihrer gespielt naiv-ironischen Art, die er sonst mochte, an diesem Morgen
    aber gar nicht schätzte, auf die beiden Ausgaben der ZEITUNG verwies, und
    ob ihm da nicht ein Wort besonders aufgefallen sei, und als er fragte welches,
    verweigerte sie die Auskunft mit dem sarkastischen Hinweis, sie wolle seinen
    Scharfsinn auf die Probe stellen, und er las wieder und wieder »diesen Dreck,
    diesen verfluchten Dreck, der einen über die ganze Welt hin verfolgt«, las es
    immer wieder, unkonzentriert, weil der Ärger über seine verfälschte Äußerung
    und die »rote Trude« immer wieder hochkam, bis er schließlich kapitulierte und
    Trude demütig bat, ihm doch zu helfen; er sei so außer sich, daß sein Scharfsinn
    versage, und außerdem sei er ja seit Jahren nur noch als Industrie –, kaum noch als
    Kriminalanwalt tätig, woraufhin sie trocken sagte »Leider«, dann aber Erbarmen
    zeigte und sagte »fällt dir denn das Wort Herrenbesuch nicht auf, und ist dir
    nicht aufgefallen, daß ich das Wort

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