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Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Titel: Die verlorene Ehre der Katharina Blum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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Tatzusammenhänge nicht doch möglicherweise als bloße
    Andeutungen verlorengehen oder mißverstanden werden, sollte man hier doch
    noch einen Hinweis gestatten: Die ZEITUNG, die ja durch ihren Reporter Tötges
    den zweifellos verfrühten Tod von Katharinas Mutter verursachte, stellte nun
    in der SONNTAGSZEITUNG Katharina als am Tode ihrer Mutter schuldig
    dar und bezichtigte sie außerdem — eben nur mehr oder weniger offen – des
    Diebstahls an Sträubleders Schlüssel zu dessen Zweitvilla! Das sollte doch noch
    einmal hervorgehoben werden, denn man kann da nie sicher sein. Auch nicht
    ganz sicher, ob man alle Verleumdungen, Lügen, Verdrehungen der ZEITUNG
    richtig kapiert.
    Es sei hier am Beispiel Blorna dargestellt, wie die ZEITUNG sogar auf relativ
    rationale Menschen wirken konnte. In dem Villenvorort, in dem Blornas wohnten,
    wurde natürlich die SONNTAGSZEITUNG nicht verkauft. Dort las man
    Edleres. So kam es, daß Blorna, der glaubte, es sei ja nun alles vorbei, und der nur
    ein wenig bange auf Katharinas Gespräch mit Tötges wartete, erst am Mittag, als
    er bei Frau Woltersheim anrief, von dem Artikel in der SONNTAGSZEITUNG
    erfuhr. Die Woltersheim ihrerseits hatte es als selbstverständlich angesehen,
    daß Blorna die SONNTAGSZEITUNG schon gelesen habe. Nun hat man doch
    hoffentlich begriffen, daß Blorna ein zwar herzlicher, ehrlich um Katharina
    besorgter, aber auch ein nüchterner Mensch war. Als er nun sich von Frau
    Woltersheim die entsprechenden Passagen aus der SONNTAGSZEITUNG am
    Telefon vorlesen ließ, traute er – wie man das so nennt – seinen Sinnen nicht (in
    diesem Fall nur einem Sinn: dem Gehör) – er ließ sich das noch einmal vorlesen,
    mußte es dann wohl glauben, und — so nennt man es wohl – es platzte ihm
    regelrecht der Kragen. Er schrie, brüllte, suchte in der Küche nach einer leeren
    Flasche, fand eine, rannte damit in die Garage, wo er zum Glück von seiner Frau
    gestellt und daran gehindert wurde, einen regelrechten Molotow-Cocktail zu
    basteln, den er in die Redaktion der ZEITUNG und später einen zweiten in
    Sträubleders »Erstvilla« werfen wollte. Man muß sich das vor Augen führen: ein
    akademisch gebildeter Mensch von zweiundvierzig Jahren, der seit sieben Jahren
    Lüdings Achtung, Sträuble – der Respekt wegen seiner nüchternen und klaren
    Verhandlungsführung hatte – und das international sowohl in Brasilien wie in
    Saudi-Arabien wie in Nordirland – also es handelte sich keineswegs um einen
    provinziellen, sondern um einen durch und durch weltläufigen Menschen, – der
    wollte Molotow-Cocktails basteln!
    Frau Blorna erklärte das kurzerhand als spontan kleinbürgerlich-romantischen
    Anarchismus, besprach ihn regelrecht, so wie man eine kranke oder wunde
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    Heinrich Böll
    Die verlorene Ehre der Katharina Blum
    Körperstelle bespricht , griff selbst zum Telefon, ließ sich von Frau Woltersheim
    die entsprechenden Passagen vorlesen, und es muß hier gesagt werden: sie
    wurde ziemlich blaß, sogar sie, und sie tat etwas, das vielleicht schlimmer war als
    Molotow-Cocktails je sein können, sie griff zum Telefon, rief Lüding an (der um
    diese Zeit gerade über seinen Erdbeeren mit Sahne und mit Vanilleeis saß) und
    sagte einfach zu ihm: »Sie Schwein, Sie elendes Ferkel.« Sie nannte zwar ihren
    Namen nicht, doch man kann voraussetzen, daß alle Bekannten von Blornas die
    Stimme seiner Frau, die um ihrer treffenden und scharfen Bemerkungen willen
    berüchtigt war, kannten. Das wiederum ging ihrem Mann zu weit, der glaubte,
    sie habe mit Sträubleder telefoniert. Nun, es kam da noch zu verschiedenen
    Krachen, selbst zwischen Blornas, zwischen Blornas und anderen, aber da dabei
    niemand umgebracht wurde, soll man gestatten, daß darüber hinweggegangen
    wird. Diese an sich unwichtigen, wenn auch beabsichtigten Folgen der
    SONNTAGSZEITUNG werden hier nur erwähnt, damit man weiß, wie sogar
    gebildete und etablierte Menschen empört waren und Gewalttaten gröbster Art
    erwogen.
    Erwiesen ist, daß Katharina um diese Zeit – so gegen zwölf Uhr –, nachdem
    sie sich eineinhalb Stunden unerkannt dort aufgehalten und wahrscheinlich
    Informationen über Tötges gesammelt hatte, das Journalistenlokal »Zur
    Goldente« verlassen hatte und in ihrer Wohnung auf Tötges, der etwa eine
    Viertelstunde später eintraf, wartete. Über das »Interview« braucht ja wohl
    nichts mehr gesagt zu werden. Man weiß, wie das ausging.
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    Um die überraschende –

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