Die verlorene Ehre der Katharina Blum
des
Wohnkomplexes vertraut zu machen, wurde zwar in erster Instanz abgewiesen,
aber niemand ist sicher, wie die zweite und die dritte Instanz entscheiden werden.
Noch eins: der Zweitwagen ist schon abgeschafft, und kürzlich war ein Foto von
Blornas wirklich ziemlich elegantem »Superschlitten« in der ZEITUNG mit der
Unterschrift: »Wann wird der rote Anwalt auf den Wagen des kleinen Mannes
umsteigen müssen?«
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Natürlich ist auch Blornas Verhältnis zur »Lüstra« (Lüding und Sträubleder
Investment) gestört, wenn nicht gelöst. Man spricht lediglich noch von
»Abwicklungen«. Immerhin bekam er von Sträubleder kürzlich die telefonische
Auskunft: »Verhungern lassen wir euch nicht«, wobei das Überraschende für
Blorna war, daß Sträubleder »euch« statt »dich« sagte. Er ist natürlich noch für
die »Lüstra« und die »Haftex« tätig, aber nicht mehr auf internationaler Ebene,
sogar nicht mehr auf nationaler, nur noch selten auf regionaler, meistens auf
lokaler, was bedeutet, daß er sich mit miesen Vertragsbrechern und Querulanten
herumschlagen muß, die etwa ihnen versprochene Marmorverkleidungen
einklagen, die nur in Solnhofener Schiefer ausgeführt worden sind, oder Typen,
die, wenn ihnen drei Schleiflackschichten auf Badezimmertüren versprochen
wurden, mit dem Messer Farbe abkratzen, Gutachter anheuern, die feststellen,
daß es nur zwei Schichten sind; tropfende Badewannenhähne, defekte
Müllschlucker, die man zum Anlaß nimmt, vertraglich abgemachte Zahlungen
nicht zu leisten – das sind so die Fälle, die man ihm jetzt überläßt, während er
früher zwischen Buenos Aires und Persepolis nicht gerade ständig, aber doch
ziemlich häufig unterwegs war, um bei der Planung großer Projekte mitzuwirken.
Im militärischen Dienst nennt man das eine Degradierung, die meistens mit
demütigenden Tendenzen verbunden ist. Folge: noch keine Magengeschwüre,
aber Blornas Magen beginnt sich zu melden. Schlimm: daß er in Kohlforstenheim
eigene Recherchen unternahm, um von dem örtlichen Polizeimeister zu erfahren,
ob der Schlüssel, als man Götten verhaftete, innen oder außen steckte, oder ob
man Anzeichen dafür gefunden habe, daß Götten eingebrochen sei. Was soll
das, wo die Ermittlungen abgeschlossen sind? Das – es muß festgestellt werden
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Heinrich Böll
Die verlorene Ehre der Katharina Blum
– heilt die Magengeschwüre keinesfalls, wenn auch Polizeimeister Hermanns
sehr nett zu ihm war, ihn keineswegs des Kommunismus verdächtigte, aber ihm
dringend riet, die Finger davonzulassen. Einen Trost hat Blorna: seine Frau wird
immer netter zu ihm, sie hat ihre scharfe Zunge immer noch, wendet sie aber
nicht mehr gegen ihn an, nur noch gegen andere, wenn auch nicht gegen alle. Ihr
Plan, die Villa zu verkaufen, Katharinas Wohnung freizukaufen und dorthin zu
ziehen, scheiterte bisher nur an der Größe der Wohnung, was bedeutet: an deren
Kleinheit, denn Blorna will sein Stadtbüro aufgeben und seine Abwicklungen
zu Hause erledigen; er, der als Liberaler mit Bonvivant-Zügen galt, ein beliebter,
lebenslustiger Kollege, dessen Parties beliebt waren, beginnt, asketische Züge zu
zeigen, seine Kleidung, auf die er immer großen Wert legte, zu vernachlässigen,
und da er sie wirklich , nicht auf eine modische Weise vernachlässigt, behaupten
manche Kollegen sogar, er betreibe nicht einmal mehr ein Minimum an
Körperpflege und beginne zu riechen. So kann man sich wenig Hoffnung auf
eine neue Karriere für ihn machen, denn tatsächlich — hier soll nichts, aber
auch gar nichts verschwiegen werden – ist sein Körpergeruch nicht mehr der
alte, der eines Mannes, der morgens munter unter die Dusche springt, reichlich
Seife, Desodorants und Duftwasser verwendet. Kurz: es geht eine erhebliche
Veränderung mit ihm vor sich. Seine Freunde – er hat noch einige, unter anderem
Hach, mit dem er im übrigen in den Fällen Ludwig Götten und Katharina Blum
beruflich zu tun hat – sind besorgt, zumal seine Aggressionen – etwa gegen die
ZEITUNG, die ihn immer wieder mit kurzen Publikationen bedenkt – nicht
mehr ausbrechen, sondern offensichtlich geschluckt werden. Die Sorge seiner
Freunde geht so weit, daß sie Trude Blorna gebeten haben, unauffällig zu
kontrollieren, ob Blorna sich Waffen besorgt oder Explosivkörper bastelt, denn
der erschossene Tötges hat einen Nachfolger gefunden, der unter dem Namen
Eginhard Templer eine Art Fortsetzung von
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