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Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition)

Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Martin
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Marianne und gab mir diesen …«
    Brief wollte er noch sagen, doch Marianne hatte ihm das Papier bereits entrissen. Mit fliegenden Fingern faltete sie es auseinander. Zitternd berührte sie die Zeilen, bevor sie sie las. Sie wollte nicht weinen, biss sich, indem sie heftig dagegen ankämpfte, auf die Lippen.
    Er hat das geschrieben, pochte es in ihrem Kopf, er hat das geschrieben. Die Zeilen verschwammen vor ihren Augen.
    »Ja, es geht ihm gut«, stotterte Friedel. »Der Junge sagte, es gehe ihm gut. Die Franzosen haben ihn festgehalten, danach die Preußen … Sie haben ihn eingesperrt, in Sachsen war er, auf Königstein.«
    Marianne hob die Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. Königstein, sie hatte davon gehört. Die Eltern hatten darüber geflüstert. Sie wischte sich kurz über die Augen, denn erneut waren die Zeilen vor ihrem Blick verschwommen.
    Marianna, amore, carissima, stand zuoberst, mein Herz, mein Schatz, meine unendliche Liebe, geht es Dir gut? Ich weiß, Du hast mich gebeten zu gehen, und ich habe gehorcht, aber ich wollte doch immer in Deiner Nähe bleiben. Marianne, ich kann Dich nicht vergessen. Ich kann und will es einfach nicht. Marianna, ich bin zurück.

E lftes Kapitel
    Helene saß mit einem Buch auf der Bank vor dem Haus, als am nächsten Tag der Bote mit dem Essen kam. Sie war erstaunt, dass es sich dieses Mal um Friedel handelte.
    »Gott zum Gruß«, sagte der alte Knecht, zögerte und stellte den Korb zu seinen Füßen ab.
    »Gott zum Gruß«, erwiderte Helene. »Was gibt es denn heute?«
    Sie war aufgestanden und kam rasch näher, bemerkte zu ihrer Verwunderung, dass sich die Schultern des Alten versteiften.
    »Kraut und frische Würstel«, antwortete er, bellte es heraus wie ein alter Wachhund.
    Helene blieb stehen. Ganz unvermittelt schauten sie beide auf den Korb, der immer noch zu Friedels Füßen stand. Bisher machte er keine Anstalten, ihn zu überreichen, so wie es die anderen zu tun pflegten. Helene spürte, wie sich ihr Lächeln verlor. Sie dachte an Marianne, die ihr am Vorabend, als sie von ihrem Spaziergang zurückgekommen war, seltsam aufgelöst vorgekommen war, sodass sie fast befürchtet hatte, noch einmal den alten Kamenz holen zu müssen. Sie dachte an das Rascheln, von dem sie später nicht gewusst hatte, ob sie es sich eingebildet hatte. Marianne hatte sie zwar gebeten, ihr Mieder aufzuschnüren, sie dann aber um einen Becher Milch in die Küche geschickt. Hatte sie vielleicht doch Papier rascheln gehört? Papier, das Marianne bei sich getragen und vor ihr verborgen hatte? Aber warum sollte sie das tun?
    Ja, Helenes Blick fiel wieder auf den Korb, warum wohl sollte sie das tun?
    »Wie geht es dem Fräulein Marianne?«, fragte der alte Knecht.
    »Recht gut.« Helene wollte die Hand nach dem Korb ausstrecken. Friedel schob seinen Fuß noch enger heran und machte Anstalten, sich zu bücken.
    »Ich wollte dem Fräulein den Korb gerne selbst geben«, sagte er dann, konnte ihr dabei aber nicht in die Augen blicken.
    Helene runzelte die Stirn. »Aber der Korb ist doch für uns beide, und ich führe hier den Haushalt …«
    »Ja, natürlich …« Offenbar wusste Friedel nun nicht, was er tun sollte. Kurz überlegte Helene noch, dann entschied sie, sich blitzschnell zu bücken, den Korb zu packen und vor Friedel das Haus zu betreten. Der alte Knecht stieß einen Laut aus, wagte es aber nicht, sie aufzuhalten.
    »Sie ist dort.« Helene wies mit einem Kopfnicken auf die Tür zur guten Stube. »Ich bringe das hier kurz in die Küche.«
    Friedel machte den Mund auf, schloss ihn aber gleich wieder. Helene lächelte ihm freundlich zu. Sie wartete, bis er die Tür geöffnet und wieder hinter sich geschlossen hatte, lief dann geräuschvoll den Gang entlang und ließ die Küchentür lautstark hinter sich zuklappen. Entschlossen zog sie das Tuch von den mitgebrachten Speisen. In einem Topf fanden sich die angekündigten Würstel, in einem zweiten das Kraut. Beide stellte sie auf den Ofen, damit das Essen warm blieb. Die Mutter hatte auch ein frisch gebackenes Brot dazugelegt und eine Flasche Traubensaft. Nun war der Korb leer. Neugierig spähte Helene hinein.
    Auf den ersten Blick war nichts zu erkennen. Erst als sie das Tuch anhob, bemerkte sie den Brief. Bevor sie noch nachdenken konnte, griff sie zu. Einen Moment später fand sich das Schriftstück dicht an ihrem Herzen wieder. Sorgsam räumte sie Brot und Saft wieder ein, stellte den Korb in eine schattige Ecke des Raums. Als sie

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