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Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition)

Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Martin
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überzeugen, dass er die Wahrheit sprach. Er war unschuldig, zumindest war er kein Klubist. Noch einmal blickte er in den blauen Himmel. Schwalben zogen über ihm ihre Kreise. Es war wieder Frühling.

Z ehntes Kapitel
    Lange hatte Marianne nicht mehr eine solche Unruhe verspürt. Es war, als verändere sich etwas in dem Maß, wie sich ihre Tochter veränderte, wie sie größer wurde und an Freiheit gewann. Heute jedenfalls hatte sie sich zum ersten Mal seit Monaten entschlossen, alleine einen kleinen Spaziergang zu machen und Luisa in der Obhut He lenes zu lassen.
    Zuerst war sie langsam gegangen, vermeintlich ohne Ziel und als könne sie sich doch nicht von ihrem Kind trennen. Erst nach einer Weile begriff sie, dass sie ihr erster Spaziergang unweigerlich zum Weinberghäuschen führte, zurück zu ihren Erinnerungen an Gianluca. Sie konnte ihn nicht vergessen. Sie hatte es versucht.
    Ich bin lange nicht mehr hier gewesen, dachte sie, als sie das Häuschen umrundet und sorgfältig von innen und außen untersucht hatte.
    Ein wenig verwunderte es sie, dass nichts mehr an das gemahnte, das dort geschehen war. Drinnen war es noch kühl und roch etwas feucht, als hielten die alten Mauern den Winter fest. Draußen krochen ein paar alte Weinranken über den Boden. Erste Frühlingsblumen sprossen empor.
    Hier haben wir uns geküsst. Hier haben wir uns geliebt. Hier wurde ich zur Frau.
    Sie setzte sich auf einen der größeren Feldsteine, tat einige Augenblicke lang gar nichts, bevor sie aus einem Beutelchen, das sie am Handgelenk trug, Bleistift und Papier hervorzog. Wenn sie ehrlich war, hatte sie schon seit Tagen darüber nachgedacht, Gianluca einen Brief zu schreiben. Der Gedanke hatte sie sogar so unruhig werden lassen, dass sie kurz befürchtet hatte, Helene könne etwas bemerken. Sie musste sich einfach die Seele frei schreiben. Früher hatte sie immer über Helene gelacht, jetzt verstand sie, warum die Jüngere immer alles aufgeschrieben hatte. Einfach alles.
    Marianne zitterte, als sie den Stift erstmals auf das Papier setzte, schrieb klein, um keinen Platz zu verschwenden: Ich sitze hier bei unserem Weinberghäuschen …
    Sie las den Satz einmal, zweimal, stellte sich vor, dass Gianluca ihn las, und setzte den Stift neu an.
    Ja, ich nenne es unseres, denn auch meine Zeitrechnung ist eine neue, seit es Dich gibt. Es gibt eine Zeit vor und eine nach Dir, Liebster. Man möge mir diesen Frevel verzeihen. So viele Tage sind vergangen, seitdem man uns getrennt hat, doch ich spüre Dich immer noch, und wenn ich unser Kind ansehe, dann sehe ich auch Dich vor mir. Luisa wird mich immer an Dich erinnern und mir Halt geben, bis zu der Stunde, in der wir uns wiedersehen.
    Auch am nächsten Tag packte Marianne Papier und Stift ein und ging zu ihrem Häuschen, während Helene auf Luisa aufpasste. Sie hatte eine Weile mit den Briefen aufgehört, damals, nachdem sie sie Helene gezeigt hatte und sich plötzlich albern vorgekommen war. Nun fing sie erneut damit an. Sie schrieb und unterschrieb sie. Sie faltete die Briefbogen sorgsam zusammen und barg sie unter dem Mieder an ihrem Herzen, bis sie zu Hause ein neues Versteck für sie fand.
    Und so hätte es weitergehen können, so ruhig und friedlich, so folgenlos. Doch dann stand eines Tages Friedel im Hof des Gartenhäuschens und drehte seinen Hut in den Händen.
    »Ich weiß, ich tu nichts Rechtes damit und sollt’s wohl besser nicht sagen«, knurrte er und schaute sie unglücklich an.
    »Was ist denn, Friedel?«, verlangte Marianne zu wissen, die sich draußen auf der Bank ausruhte.
    Der alte Knecht trat einen Schritt auf sie zu, blieb dann doch wieder stehen.
    »Ich soll euch von Schanlukka grüßen.«
    »Von Gianluca?«
    Sie wollte aufspringen. Friedel drückte ihr die Hände auf die Schultern, um sie daran zu hindern.
    »Ruhig, Frauchen, nicht aufregen. Geht es dir gut? Und meiner Luisa auch? Wo ist sie?«
    »Bei Helene.« Marianne musste nach Luft schnappen. »Sag es mir bitte«, keuchte sie, denn ihr Atem ging immer noch schneller, »hast du wirklich Nachricht von Gianluca? Geht es ihm gut? Wo war er nur die ganze Zeit?«
    Friedel zuckte die Achseln. »Vor ein paar Nächten stand beim … also beim Wasserlassen auf einmal ein Junge vor mir. Mir altem Kerl ist fast das Herz stehen geblieben.«
    »Kanntest du ihn?«, fragte Marianne mehr mechanisch dazwischen.
    »Nein«, Friedel schüttelte den Kopf, »hab ihn noch nie gesehen. Er bestellte Grüße von Schanlukka an Friedel und

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