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Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition)

Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Martin
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der sich kurz nach der Landung sofort mit ungeduldigen Passagieren gefüllt hatte, leerte sich langsam. Judy saß immer noch an ihrem Platz und starrte nachdenklich vor sich. Was, wenn sie die Großmutter nicht fand? Wo würde sie dann heute Abend schlafen? Mit einem Mal hatte sie Angst.
    Judy verließ das Flugzeug als einer der letzten Passagiere. Durch eine leere Gangway gelangte sie ins Flughafengebäude. Die Stewardess, die sich so nett um sie gekümmert hatte, lächelte ihr noch einmal zu. Wenig später entdeckte sie, dass die unterschiedlichen Terminals des Flughafens über eine automatisch gesteuerte Bahn miteinander verbunden waren. An deren Haltepunkt traf Judy auch einige Passagiere wieder. Ein junger Mann grinste ihr zu. Ein älteres Ehepaar stritt miteinander, doch sie verstand kein Wort. Sie belauschte englischsprachige Touristen, die sich über den Flug und ihre Reiseziele ausließen. Der Weg zur Gepäckausgabe zog sich dahin. Da Judy, außer ihrem Handgepäck, nichts bei sich trug, steuerte sie direkt auf die Passkontrolle zu. Der Zollbeamte sah einen Moment lang so prüfend auf sie herunter, dass Judy der Schweiß ausbrach, dann reichte er ihr den Ausweis mit ge wichtiger Miene zurück und sagte etwas.
    »Thank you, Sir«, murmelte Judy, die wieder einmal nichts verstanden hatte.
    Wenig später stand sie vor den Abfahrtstafeln der Züge. Departures verstand sie natürlich, aber ansonsten war sie verunsichert. Sie verglich ihre Uhr mit den Zeitangaben. Eine müde Familie, vollgepackt, als wollten sie umziehen, schlurfte an ihr vorüber. Ein junges Pärchen umarmte sich einen Schritt von ihr entfernt so heftig, dass Judy sich fragte, ob die beiden überhaupt noch Luft bekamen.
    »May I help you?« Ein hünenhafter Afroamerikaner war neben ihr stehen geblieben. Obwohl er Englisch sprach, konnte Judy ihm nur stumm ihren Zettel hinstrecken.
    »Ah, Bad Kreuznach.« Er grinste. »I know Bad Kreuznach.«
    Der Name der Stadt klang aus seinem Mund genauso, wie sie ihn auch aussprechen würde. Judy musste lachen.
    »Sounds funny, doesn’t it?«
    Der Amerikaner nickte. »The hell, it does!«
    Die Fahrt dauerte etwas über eine Stunde. Judy fürchtete, vor Müdigkeit einzudösen und dann die Haltestelle zu verpassen, doch sie blieb wach. Eine teils flache, teils leicht hügelige Landschaft mit Weinbergen flog an ihr vorbei. An kleinen Bahnhöfen hielten sie an. Kurz vor jedem Halt wurde jeweils etwas durchgesagt, was Judy nie verstand. Angestrengt bemühte sie sich deshalb, die Anzeigetafeln auf den Bahnhöfen nicht aus dem Blick zu verlieren.
    Dann war es so weit, auf der nächsten Tafel las sie endlich Bad Kreuznach. Judy beeilte sich auszusteigen. Auf dem Bahnsteig schaute sie sich einen Moment lang unschlüssig um, dann steuerte sie entschlossen den Ausgang an.
    Es dauerte eine Weile, bis sie die Taxis entdeckte, obwohl sie direkt vor ihrer Nase standen. Rasch setzte sie sich in den ersten Wagen der Reihe. Plötzlich war die Fremde überwältigend. Als sie dem Fahrer ihren Zettel reichte, schaute der kurz darauf, nickte dann und sagte etwas.
    »Thank you«, antwortete Judy leise und kletterte auf die Rückbank des Wagens.
    Sie erreichten das Ziel kaum fünfzehn Minuten später, und es dauerte, bevor Judy verstand, dass der Fahrer auf seine Bezahlung wartete. Siedend heiß überfiel es sie, dass sie ja gar kein deutsches Geld hatte. Dafür einige australische Dollars, ihre ganzen Ersparnisse. Sie kramte die zerkrumpelten Scheine aus den Taschen ihrer Jeans hervor und reichte sie nach vorne. Der Fahrer sah zuerst perplex aus, dann wütend. Ein Worthagel prasselte auf Judy nieder.
    »Sorry«, stotterte die, »I am sorry, Sir.«
    Ihre Antwort schien den Mann nicht zu beeindrucken. Er stieg aus, rannte um das Auto herum und riss die Tür zum hinteren Wagenteil auf. Als sie nicht gleich aufstand, machte er Anstalten, sie aus dem Wagen zu ziehen. Judy schaltete rasch.
    »I am sorry, Sir«, wiederholte sie noch einmal und sprang aus dem Wagen. »I didn’t mean that.«
    Er schien sich nicht beruhigen zu wollen, kehrte stattdessen ohne ein weiteres Wort zum Fahrersitz zurück und brauste im nächsten Moment davon.
    Judy stand kurz unschlüssig da, dann steuerte sie auf das Haus zu, dessen Adresse mit jener auf ihrem Notizzettel übereinstimmte. Sie musterte die Namensschilder, machte endlich ein handgeschriebenes Lea Kadisch aus und klingelte. Es regte sich nichts. Sie klingelte noch einmal. Immer noch keine Reaktion.

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