Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition)

Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Martin
Vom Netzwerk:
abgeschweift. John konnte nicht sagen, wo er gewesen war, als er die Nachricht von dem Absturz gehört hatte. In der Küche beim Teetrinken? In der Werkstatt? Vor dem Haus? Und wo war Judy gewesen? Nicht bei ihm jedenfalls. Er erinnerte sich daran, dass Claire seine Hand gehalten hatte, aber Claires Mann – sein Vater – war auch derjenige gewesen, der Ann gedrängt hatte, den Flug mit ihm anzutreten, weil … Ja, warum eigentlich? Irgendeinen Grund musste es ja gegeben haben, auch wenn er sich nicht an ihn erinnerte. Sie waren dann zum Flughafen gefahren, immer noch von der Hoffnung erfüllt, die Passagiere hätten den Absturz überlebt. Doch wer überlebte schon einen Flugzeugabsturz?
    In den Tagen nach Anns Tod hatte er nur funktioniert. Die Beerdigung war in einem Nebel an Beruhigungsmitteln an ihm vorbeigegangen. Danach hatte er niemals wieder Medikamente genommen, aber diesen Tag hätte er niemals ohne Tabletten bewältigen können. Und wieder konnte er nicht sagen, was Judy damals gemacht hatte, und das schmerzte ihn.
    Ich bin ihr in diesen Tagen kein guter Vater gewesen, fuhr es ihm durch den Kopf, und seither auch nicht.
    Johns Blick fiel jetzt unwillkürlich auf eine Schale mit einem wirren Sammelsurium an Dingen. Der Schlüssel da gehörte doch zu seiner Werkstatt. Wie lange hatte er wohl schon dort gelegen, und wie lange hatte er ihn nicht gesehen? Bestimmt lag er dort, seit er ihn damals vermeintlich weggeworfen hatte – oder hatte ihn irgendjemand aufgehoben und dorthin gelegt?
    John streckte die Hand danach aus, schloss die Finger um das Metall. Als er ihn kurze Zeit später ins Schloss steckte, zögerte er kurz, dann drehte er entschlossen um. Es knirschte. Knarrend schwang die Tür auf.
    Ein grauer Schleier lag über Werkbank und Modellen, nur eines hatte er damals bei sich im Zimmer behalten, aber auch jenes hatte er nicht mehr berührt. Staub begann in der Luft zu tanzen, als John die ersten behutsamen Schritte machte. Ein Hammer lag da, als warte er nur darauf, aufgenommen zu werden. Ein Fläschchen Sekundenkleber war eingetrocknet. Auf dem Boden lag ein Gemisch von Balsaholzkrümeln und Aluspänen. Das Licht, das damals schon geflackert hatte, flackerte auch jetzt. John berührte eine Dose Budweiser. Irgendwie hing noch der vertraute Geruch im Raum.
    John trat näher an seine Werkbank heran, wischte mit dem Ärmel über seinen in der Höhe verstellbaren Hocker und setzte sich. Obwohl die Teile für das Flugzeug vor ihm lagen, konnte er sich nicht daran erinnern, dass er daran gearbeitet hatte, in der Woche, bevor Ann gestorben war, und auch nicht an die Woche danach. Zwei Wochen seines Lebens waren in seiner Erinnerung vollkommen ausgelöscht.
    Er beugte sich vor und blies vorsichtig den Staub von den Bauteilen. Durch die geöffnete Tür drangen die vertrauten Stimmen einiger Arbeiter zu ihm herein. Unvermittelt stand John auf und verließ die Werkstatt wieder.
    Die Sonne tauchte den Vorplatz in grelles Licht. Der alte Roberts und Michael Connelly standen neben dem alten Pick-up.
    »Ist der Wagen kaputt?« John war schon bei den Männern angelangt. Die beiden fuhren herum und starrten ihn an. John versuchte, ihre verwirrten Blicke zu ignorieren.
    »Soll ich danach schauen?«
    Der junge Michael starrte ihn mit weit geöffnetem Mund an. Roberts gab sich schließlich einen Ruck. »Das wär nett, Mister Hunter, der alte Blechnapf will wohl nich mehr.«
    John spürte, wie sich seine Mundwinkel ohne sein Zutun hoben. Eine Stunde später hatten Roberts und er den alten Wagen durchgecheckt. John wischte sich die ölverschmierten Hände an einem Tuch ab. Roberts holte eine Zigarette hervor und steckte sie sich an.
    »Ich werde nach Europa reisen, zu meiner Mutter und meiner Tochter«, sagte John unvermittelt. Roberts sah ihn lange an. »Das is gut, Mister Hunter«, sagte er dann, »das is sehr gut.«

F ünftes Kapitel
    Judy hatte das Abendessen und die fremdartigen europäischen Speisen mit großem Appetit verschlungen und hatte sich danach von Lea durch das alte Haus führen lassen. Die Renovierungsarbeiten waren mittlerweile gut vorangeschritten, und langsam bekam man einen Ein druck davon, wie schön das Haus einmal ausgesehen hatte. Lea machte es jedenfalls Spaß, alles vorzuzeigen. Sie liebte das Haus. Sie war wirklich froh, dass es in ihr Leben getreten war.
    Zuerst war es mühsam gewesen, Englisch zu sprechen, doch mit jedem Wort war es ihr leichter gefallen. Judy erinnerte sie tatsächlich ein

Weitere Kostenlose Bücher