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Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition)

Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Martin
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Patriarch.
    Friederike bewegte die Ärmchen und gab einen schmatzenden Laut von sich. Claires Blick verlor sich erneut in den dunklen Augen ihres Kindes.
    »Wem siehst du nur ähnlich, meine Kleine?«, flüsterte sie. »Wem siehst du nur ähnlich?«
    Friederike bewegte erneut den Kopf, dann schaute sie ihre Mutter an und blubberte ein gurgelndes Lachen hervor. Ein warmes Gefühl durchströmte Claire, und ihr Herz schlug sofort schneller.
    »Musst du immer nur an dich denken? Was ist mit mir? Was soll ich tun? Soll ich als alte Witwe betteln gehen? In der Suppenküche anstehen? Die Zeiten sind schlecht, und dein Vater hat mir nur wenig zurückgelassen, gar nichts fast, und das weißt du nur zu gut.«
    Claire starrte den Tisch an. Sie wollte ihre Mutter jetzt nicht sehen, es genügte vollauf, ihre Stimme zu hören. Doch das ließ Aurelia nicht zu. Mit einem festen Griff, den man ihren schmalen dünnen Fingern kaum zutraute, packte sie die Tochter beim Kinn und riss es hoch.
    »Was hast du dir dabei gedacht, du Flittchen? Wolltest du, dass sie dich vor die Tür setzen? Wolltest du das, ja? Dann könntest du dich auch nicht mehr um deine arme Mutter kümmern, und das würde dir ja sicherlich zupasskommen. Aber ja«, höhnte Aurelia mit verzogenem Mund, »dir ist ja gleich, was mit deiner Mutter geschieht. Die kann ruhig in der Gosse landen. Du warst immer ein Vaterkind. Stundenlang hast du in seinem Büro gesessen. Aber dein Vater, der Schwächling, hat den Karren gegen die Wand gesetzt, verstehst du? Nur mir hast du es zu verdanken, dass wir heute nicht von der Fürsorge leben. Ich habe von Anfang an dafür gesorgt, dass Wilhelm dich nicht aus den Augen verlor, und es gab, weiß Gott, genügend Konkurrenz.« Aurelia schnappte nach Luft, zog dann ein Taschentuch aus dem Häkelbeutel an ihrem Handgelenk und tupfte sich die Stirn ab. »Und jetzt hast du alles kaputt gemacht.«
    »Ich habe nichts kaputt gemacht.«
    Claire runzelte die Stirn. Was meinte ihre Mutter damit, sie habe dafür gesorgt, dass Wilhelm sie nicht aus den Augen verlor? Eine unangenehme Vorstellung stieg in ihr auf, die Ahnung, die ihr schon auf der Hochzeit gekommen war und die sie danach wieder verdrängt hatte. Dass er sie nämlich nicht liebte und auch nie geliebt hatte.
    »Du hast versucht, deinem Mann einen Kuckuck ins gemachte Nest zu legen.« Aurelias Stimme überschlug sich fast.
    Claire fühlte endlich Wut in sich aufsteigen und war fast erleichtert darüber.
    »Wie oft soll ich das denn noch sagen, ich habe meinen Mann nicht betrogen. Ich weiß nicht, warum Friederike so dunkel ist.«
    Aurelia schüttelte den Kopf.
    »Jetzt sei nicht albern, du dummes Ding. Ich habe dir wirklich ein bisschen mehr Verstand zugetraut.«
    Claire beschloss, nicht mehr zu antworten. Es war müßig, noch etwas zu sagen. Ihre Mutter würde ihr ohnehin nicht zuhören, das hatte sie noch nie getan. Überhaupt hörte ihr keiner zu. Es gab nichts, was sie dagegen tun konnte.
    Für einen Moment hörte Claire Aurelia beim Atmen zu. Ihre Mutter hatte noch nie in ihrem Leben arbeiten müssen. Als höhere Tochter war sie in die Ehe gegangen. Sie hatte ihre Mitgift mitgebracht, ein wenig Gesang, Klavier spiel, Französisch und Kleckserei, wie der Vater ihre Mal künste nannte, sowie das Wissen darum, dass es Personal gab für alles Widrige im Leben. Sie hatte niemals für sich selbst gesorgt oder ein Problem aus der Welt geschafft. Die Welt war da, um für Aurelia Mylius zu funktionieren, und nun war es die Tochter, deren Heirat ihr das Leben angenehm gestalten sollte. Aber das war gründlich schiefgegangen. Schlimmer hätte es nicht kommen können. Claire unterdrückte einen Seufzer und schaute ihre Mutter an. Klein und zart saß die nun da, zusammengesunken in ihrem Lehnstuhl, von Schwäche überwältigt, aber das täuschte. Nie, niemals hatte Aurelia für jemand anderen gesorgt als für sich selbst. Nie hatte sie etwas für ihren Lebensunterhalt verdient. Sie war immer gut darin gewesen, Geld auszugeben, und das offenbar auch noch, als Vaters Geschäft kaum mehr etwas eingebracht hatte. Aber das hatte sie ja nicht verstanden, das waren Dinge, die eine Dame nicht zu verstehen hatte. Eine Dame verstand nichts von Geld. Eine Dame sprach nicht über Geld.
    Claire zuckte zusammen, als ihre Mutter sie jetzt wie der mit diesen babyblauen Augen ansah, die so bestechend unschuldig wirkten.
    »Ich habe mit Nora gesprochen und ihr gesagt, dass ich wirklich mit ihr fühle …«
    »Wie

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