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Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition)

Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Martin
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bitte?«
    »Sie sagte mir, dass man dir das Kind womöglich abnehmen müsse, bevor du …«
    »Bevor ich was?«
    »Nun, es ist ein Beweis, oder etwa nicht? Es gab schon andere Frauen, die in verzweifelten Stunden …« Aurelia seufzte.
    Claire fragte sich, wie ein so schöner, so zarter Mund etwas so Unglaubliches andeuten konnte.
    »Wie kannst du so etwas nur sagen? Es ist mein Kind, um Himmels willen. Es ist dein und ihr Enkelkind. Ich habe meinen Mann nicht betrogen.«
    Aurelia antwortete nicht. Langsam und schmerzhaft begann Claire zu verstehen, dass ihr die Wahrheit nicht helfen würde.
    Johanne streifte mit gespreizten Fingern durch ihren Pagenkopf, und Claire fragte sich nicht zum ersten Mal, warum sie selbst einfach nicht den Mut aufbrachte, ihren langen Zopf abzuschneiden.
    »Tee?«, fragte sie.
    »Ja, ja.« Johanne schüttelte den Kopf. »Jetzt sag schon, was ist dein Problem? Meine Mutter? Wirklich, sie kann ein wahrer Drachen sein, aber was soll sie schon gegen dich in der Hand haben, du süßes, gutes Ding?«
    Claire spürte, wie sie errötete. Dann stand sie unvermittelt auf und trat zur Wiege hin. Friederike schlief, den Kopf zur Seite gedreht, die Nase gegen die kleine Faust gedrückt.
    »Sie sagen, ich habe Wilhelm betrogen.«
    »Was? Wieso?«
    »Wieso?« Claire musste mit einem Mal die Tränen niederkämpfen. Sie war in den letzten Tagen schon öfter nahe daran gewesen, zu weinen. Johanne war wieder einmal in Berlin gewesen und erst gestern Abend zurückgekommen und hatte deshalb nichts von den neuesten Entwicklungen mitbekommen. Claire fühlte sich mehr als einsam.
    »Schau dir die Kleine doch an«, forderte sie die Freundin nun auf, »sie ähnelt einfach keinem von uns, noch nicht einmal mir.«
    »Sie hat deinen Mund.« Johanne stand nun hinter Claire und legte ihr die Hände auf die Schultern.
    Die kämpfte immer noch gegen die Tränen an.
    »Und was hat sie von Wilhelm? Sag es mir, bitte!«
    »Nichts, soweit ich sehen kann.« Johanne hob bedauernd die Schultern. »Aber da ich meinen Bruder nicht ausstehen kann, finde ich, dass die Kleine darüber nur froh sein kann.«
    Claire schwieg einen Moment.
    »Warum hast du mir das vorher nie gesagt?«, fragte sie endlich leise. Johanne, die näher an die Wiege getreten war und den Blick nun auf das Kind richtete, sah auf.
    »Dass ich ihn nicht ausstehen kann? Ach Gott, du warst so verliebt, und ich wusste ja nicht, ob ich recht hatte mit meiner Abneigung oder nicht. Wir sind Geschwister, um Him mels willen, Geschwister streiten sich, Geschwister haben böse Erinnerungen aneinander. Ich dachte wirklich, du wirst glücklich mit ihm. Ich hätte mir das sehr gewünscht.«
    Jetzt konnte Claire sich nicht mehr beherrschen. Haltlos schluchzte sie auf. Wie, wie nur konnte sie beweisen, dass Friederike Wilhelms Kind war? Wie konnte sie beweisen, dass sie keine Hure war, die ihren Mann hintergangen hatte? Die Worte ihrer Mutter deuteten auf schwerwiegende Entscheidungen hin, die eben im Hause Neuberger getroffen wurden. Angeblich hatte man sogar über die Scheidung gesprochen, was Aurelia zutiefst beunruhigte. Claire fühlte sich plötzlich, als führte sie ihr Leben hoch oben auf einem Drahtseil und könne jederzeit herunterstürzen.

Z weites Kapitel
    Zwei Dinge ließen sich nicht leugnen: Die Schulden nahmen mittlerweile zügig überhand, und das wenige, was er für seine Frau empfunden hatte, war im Begriff, sich in Luft aufzulösen. Letzteres war seine Privatsache, Ersteres aber – Wilhelm Neuberger ließ den Blick von seinem Vater zu seiner Mutter und wieder zurück schweifen – ging die ganze Familie etwas an.
    Für einen kurzen Moment schaute er auch zu seiner Schwester herüber, die angelegentlich einen kleinen Krapfen nach dem anderen verspeiste und mit ihren von Zucker verklebten Fingern in der Eleganten Welt blätterte. Er war immer noch unsicher, ob er ihr trauen sollte, aber nun ja, sie gehörte zur Familie. Er wusste, dass seine Eltern froh sein würden, wenn sie endlich heiratete und die Hirngespinste aufgab, denen sie nacheilte. Erst vor Kurzem war sie wieder aus Berlin zurückgekehrt – offenbar wartete die Filmwelt nicht auf sie – und war doch immer noch voller Pläne und Ideen. Inzwischen hatte sie angeblich erste Kontakte in Frankfurt geknüpft. Eigentlich waren seine Eltern und er froh darüber gewesen, dass es ihr noch nicht gelungen war, ihren Ruf in ihrer Heimatstadt zu ruinieren. Theater- und Filmleute, du meine Güte, das war doch

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