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Die verlorene Koenigin

Die verlorene Koenigin

Titel: Die verlorene Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frewin Jones
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wünschte, du wärst tot. Keine gute Erinnerung an einen Menschen, den Tania bis dahin für ihre engste Freundin im Elfenreich gehalten hatte!
    »Deine Schwester ist vor zwei Nächten aus dem Palast geflohen«, sagte Brythus. »Sie wurde von einem Stallburschen gesehen, wie sie ohne Reiseumhang oder Gepäck mitten in der Nacht Richtung Norden ins Hügelland ritt.«
    »Vielleicht ist es das Beste, dass sie fort ist«, meinte Hopie ruhig. »Maddalena ist ein kluges Tier. Sie wird darauf achten, dass ihrer Herrin kein Leid geschieht. Und vielleicht vermag ein Aufenthalt in der Abgeschiedenheit Rathinas Sehnsucht nach Drake zu lindern.« Sie blickte zum fernen Horizont. »Das wünsche ich mir von Herzen«, fuhr sie fort. »Doch ich hege wenig Hoffnung, dass es so kommen wird. Das arme Kind war tief gekränkt und in einem Zustand geistiger Umnachtung, weil ihre Liebe nicht erwidert wurde.«
    »Geistige Umnachtung?«
    »Vom Wahn berührt«, erklärte Hopie. »Ich fürchte, selbst wenn der König sie unter Einsatz all seiner Zauberkräfte aufspüren würde, so wäre das Wesen, das zu uns zurückkehrte, nur die äußere Hülle unserer Schwester. Wir würden sie nicht wiedererkennen.«
    Tania wandte sich ab. Es brach ihr fast das Herz bei dem Gedanken, dass ihre Schwester vereinsamt umherirrte, zerfressen von der Liebe zu einem Mann, der sie nur benutzt hatte und keinerlei Gefühle für sie hegte.
    Nach ihrer Unterhaltung mit Hopie ging Tania eine Weile allein am Ufer spazieren. Die Erinnerung an Rathinas Verrat ließ sie noch immer nicht los.
    »Nein!«, sagte sie zu sich. »Ich bin doch zum Vergnügen hier!« Sie drehte sich um und wollte gerade in den größten Trubel zurückkehren, als sie Zara und Cordelia über den Sand auf sich zukommen sah.
    »Sei gegrüßt!«, rief Cordelia. »Aber warum spazierst du hier so allein herum?«
    »Sie spielt die Rolle der trauernden Maid in der Ballade«, meinte Zara. »Erinnerst du dich an den Evensong , Tania?« Sie hob zu singen an.
    Eines Abends im Dezember, als die Erde frostbedeckt,
da ging sie fiebernd am eisigen Strand.
Der Wind macht’ ihre Finger klamm
und ihr Haare knisterten von Reif.
Die Möwen umkreisten sie mit lautem Geschrei,
doch sie stand nur da und schaut’.
    Tania lächelte. »Oh, sehe ich so erschöpft aus?«, fragte sie. »Tut mir leid. Ich habe gerade mit Hopie über Rathina gesprochen. Das ist mir wohl aufs Gemüt geschlagen.«
    »Ja, der Verrat unserer Schwester wirft einen Schatten auf unser aller Herzen«, sagte Cordelia.
    »Aber es ist nichts dadurch gewonnen, dass ihr betrübt seid«, warf Zara ein. »Das erlaube ich nicht, nicht in einer Nacht wie dieser. Wartet, ich werde euch aufheitern!« Sie zog ihre Flöte hervor, setzte sie an die Lippen und trat ins flache Wasser.
    »Wo ist Windgleiter?«, fragte Tania Cordelia.
    »Er ist fort ins Hügelland, auf der Jagd nach seinem Abendessen«, erwiderte sie. »Wenn er satt ist, wird er zurückkehren.«
    Als das Wasser Zara schon bis zu den Knien reichte, blieb sie stehen. Ihr Kleid hing ihr in nassen Falten um die Beine. Die Melodie, die sie spielte, war völlig anders als alles, was Tania jemals gehört hatte. Tanzende Tonfolgen vereinigten sich zu schmelzenden, wiegenden Melodien, fielen von Zeit zu Zeit zu lang gezogenen, tiefen Passagen ab, die in Tanias Ohren nachhallten und sie erschaudern ließen.
    »Sie spielt ein Meereslied«, erklärte Cordelia sanft.
    Wenige Meter jenseits der Stelle, wo Zara stand, begann der Ozean auf einmal zu schäumen und zu brodeln. Plötzlich sprangen mehrere Fische in die Luft, Wassertropfen fielen wie Juwelen von ihren glitzernden Schuppen.
    Ein größerer Umriss tauchte aus dem Wasser auf: ein Delfin. Seine glatten Flanken glänzten, als er mit der Schnauze voran wieder ins Wasser eintauchte.
    Dann gesellten sich weitere Delfine zu dem wundersamen Wasserballett, sprangen im hohen Bogen aus den Wellen. Einer kreuzte die Bahn des anderen, einen Schweif funkelnder Wassertropfen hinter sich herziehend. Dann schlugen sie Saltos und verschwanden schließlich mit einem Schlag ihrer Schwanzflossen wieder im Wasser.
    Im Uferbereich, wo das Wasser flacher wurde, tauchte nun langsam eine dunkle, scharf konturierte Gestalt aus den Wogen auf. Es dauerte einige Augenblicke, bis Tania den kahlen kugelförmigen Kopf und den glatten grünen Panzer einer Riesenschildkröte erkannte, die von kräftigen Delfinen durch die Brandung an Land gezogen wurde.
    Cordelia, die neben Tania stand, schien

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