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Die verlorene Kolonie

Die verlorene Kolonie

Titel: Die verlorene Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anette Strohmeyer
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Schürze kneteten. „Nun“, sie räusperte sich, „ich weiß es nicht so genau. Das ist lange her. Ich glaube, ich habe sie mal von einem Urlaub mitgebracht.“
    „Was für einem Urlaub? Wo war das? Weißt du noch, was die anderen Buchstaben darauf zu bedeuten haben?“ Ich drehte mich wieder zu meinem Vater. „Dad, warst du vielleicht auch dort und kannst dich nur nicht mehr daran erinnern?“
    „Tja, …wenn ich das nur wüsste, Jerry.“ Ratlos fuhr er sich mit der Hand über die Stirn.
    Selma sah derweil aus, als überlege sie. „Es könnte in Kalifornien gewesen sein. Oder in England? Ach, Herzchen, ich bin früher so viel gereist, als ich noch jünger war. Dummerweise will mir einfach nicht einfallen, woher dieses Souvenir stammt.“
    „Wisst ihr was“, rief ich, „ich schaue jetzt einfach mal nach.“ Ich holte mein iD aus der Tasche und gab die Begriffe ‚Olympic Regent‘ und ‚Hotel‘ in die Suchmaschine ein. Wenige Sekunden später bekam ich eine Liste mit Ergebnissen. Leider war sie sehr kurz, ganze drei Einträge befanden sich im Netz. Das erste war Werbung für ein Restaurant: das ‚Ambassador‘. „Besuchen Sie unser Restaurant!“, hieß es dort. „Im obersten Stockwerk unseres Hauses erwartet Sie gehobene französische Küche mit einem erhabenen Ausblick über die Stadt, der besonders bei Sonnenuntergang sehr zu empfehlen ist. Reservieren Sie einen Tisch gleich über unser E-Mail-Formular und genießen Sie einen Cocktail des Hauses in stilvollem Ambiente!“ Das war alles. Nichts über ein Hotel mit dem Namen Olympic Regent oder wo sich dieses Restaurant befand. Auch der Link zum E-Mail-Formular funktionierte nicht mehr. Wahrscheinlich war die Webseite veraltet und deshalb gelöscht worden.
    Der zweite Eintrag war auch nicht ergiebiger. Jemand in einem Forum behauptete, dass das Hotel ‚Prinz Regent‘ am Olympiastadion in Berlin „ne miese Absteige“ sei. Auch hier Fehlanzeige. Selma war bestimmt nicht in Berlin gewesen und mein Dad erst recht nicht.
    Der dritte Eintrag war ein Bild, und als ich es öffnete, erschien auf dem Display eine luxuriös ausgestattete Lobby mit einem Empfangstresen, dahinter stand eine blonde Frau in einem förmlichen Kostüm. Ihr Lächeln wirkte wie eingemeißelt.
    Das konnte das gesuchte Hotel sein , dachte ich und vergrößerte das Bild. Doch leider gab es keinerlei Anhaltspunkte, wo sich das Gebäude befand.
    „Nichts“, sagte ich enttäuscht und schloss die Anwendung.
    „Tja, vielleicht ist das olle Ding doch nur vom Flohmarkt“, entgegnete Selma trällernd, nahm meinem Dad die Dose aus der Hand und stellte sie mit entschlossener Geste zurück auf die Anrichte. „So, und jetzt raus aus meiner Küche, ich muss den Tisch abräumen. Husch, husch.“ Sie scheuchte uns in den Flur und schloss schwungvoll die Tür. Das Klappern von Geschirr erklang und das Lied vom Kälbchen auf der Weide.
    Ich sah meinen Vater achselzuckend an.
    „Es ist zwecklos, Jerry“, sagte er. „Ich kann mich einfach nicht erinnern. Das mit der Dose ist bestimmt nur Zufall. Mach dir nichts draus.“ Er klopfte mir auf die Schulter. „Mein Leben ist nach dem Unfall nicht schlechter, als es vorher war. Hör auf, dir darüber Sorgen zu machen.“
    „Aber woher willst du das wissen, wenn du dich nicht erinnern kannst?“, beharrte ich trotzig. Ich verstand nicht, warum mein Dad nichts dafür tat, Licht in die Umstände seines Unfalls zu bringen. Als ob er die Vergangenheit ruhen lassen wollte. Nein, es war, als ob er sie fürchtete und nicht an die Oberfläche kommen lassen wollte. Aber da er mit seinem jetzigen Leben zufrieden schien, musste ich wohl oder übel einsehen, dass dies allein seine Sache war. Und wenn er seine Erinnerung nicht wiederhaben wollte, dann hatte ich das zu akzeptieren.
    „Wir sehen uns, Dad“, sagte ich. „Ich werde heute von zu Hause aus arbeiten.“
    „Ist gut, Junge. Viel Erfolg bei deiner Arbeit.“
    Ich begab mich in mein Zimmer und schloss vorsichtshalber die Tür ab. Keiner in diesem Hause durfte etwas von den Dokumenten erfahren.
    Ich hatte gerade die Papiere auf meinem Schreibtisch ausgebreitet, da piepte mein iD. Es war eine von Addys iD automatisch generierte Nachricht, dass sie sich jetzt am College im Gebäude des Geschichtsforums befand. Im Gegenzug sendete mein intelligent Device an ihres, dass ich noch daheim weilte. So wusste jeder von uns, wo sich seine Freunde und Verwandten gerade aufhielten. Ich wollte das iD weglegen, da

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