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Die Verlorene Kolonie

Die Verlorene Kolonie

Titel: Die Verlorene Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin Colfer
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lümmelte und ihn beobachtete, schnippte mit den Fingern in Richtung einer Kamera an der Decke.
    »Der hässliche Kerl ist wach«, sagte er. »Und ich glaube, er ruft nach seiner Mama.«
    Nr. 1 ging die Luft aus, und er hörte auf zu schreien. Wie ernüchternd, mit einem kraftvollen Heulen zu beginnen und mit einem kläglichen Wimmern zu enden.
    Okay , dachte Nr. 1. Ich bin am Leben und in der Welt der Menschen. Zeit, die Augen aufzumachen und nachzusehen, wie tief die Dunggrube ist, in der ich stecke.
    Vorsichtig öffnete Nr. 1 die Augen einen Spalt, als fürchte er, etwas Großes, Hartes zu erblicken, das mit hoher Geschwindigkeit auf sein Gesicht zuraste. Stattdessen sah er, dass er sich in einem kleinen, kahlen Raum befand. An der Decke hingen rechteckige Lichter, die heller waren als tausend Kerzen, und eine Wand bestand fast ganz aus einem Spiegel. Die Tür öffnete sich, und ein Menschenwesen kam herein, wahrscheinlich ein Kind, vermutlich weiblich, mit einer unglaublichen blonden Lockenmähne und fünf statt vier Fingern an jeder Hand. Das Wesen trug ein vollkommen unpraktisches togaähnliches Gewand und Schuhe mit dicken Sohlen und aufgestickten Blitzen an der Seite. Dann war da noch jemand. Ein schlaksiger, lauernder Mann, der ihn merkwürdig musterte und mit den Fingern unruhig auf sein Knie trommelte. Der Blick von Nr. 1 blieb am Haar des Mannes hängen. Es leuchtete in mindestens sechs verschiedenen Farben. Der Mann war ein Pfau.
    Nr. 1 fragte sich, ob er vielleicht die Hände heben sollte, um zu zeigen, dass er unbewaffnet war. Doch das ist ziemlich schwierig, wenn man an einem Stuhl festgebunden ist.
    »Ich bin an einem Stuhl festgebunden«, sagte er entschuldigend. Unglücklicherweise sagte er es auf Gnomisch und im Dialekt der Dämonen. Für die Menschen klang es, als versuche er, seine Kehle von einem besonders hartnäckigen Schleimpfropf zu befreien.
    Nr. 1 beschloss, den Mund zu halten. Bestimmt würde er nur das Falsche sagen, und dann würden die Menschenwesen ihn am Ende noch rituell hinrichten. Zum Glück schien zumindest das Mädchen recht gesprächig zu sein.
    »Hallo, ich bin Minerva Paradizo, und der Mann hier ist Mister Kong«, sagte sie. »Kannst du mich verstehen?«
    Für Nr. 1 war es nur unverständliches Geschnatter. Kein einziges vertrautes Wort aus Lady Heatherington Smythes Hecke.
    Er lächelte aufmunternd, um zu zeigen, dass er ihr Bemühen zu schätzen wusste.
    »Sprichst du französisch?«, fragte das blonde Mädchen und wechselte dann die Sprache. »Oder vielleicht englisch?«
    Nr. 1 richtete sich auf. Das kam ihm bekannt vor. Zwar merkwürdig ausgesprochen, aber die Worte stammten aus dem Buch.
    »Englisch?«, wiederholte er. Das war die Sprache von Lady Heatherington Smythe. Gelernt auf dem Schoß ihrer Mutter, vertieft in den Hörsälen von Oxford, angewandt, um ihrer unsterblichen Liebe zu Professor Rupert Smythe Ausdruck zu geben. Nr. 1 verehrte das Buch. Manchmal hatte er das Gefühl, dass er der Einzige war. Selbst Abbot schien die romantischen Teile nicht wirklich zu mögen.
    »Ja«, sagte Minerva. »Englisch. Der Letzte sprach es ganz gut. Ebenso wie Französisch.«
    Es muss auch außerhalb von Büchern Wesen geben, die Höflichkeit zu schätzen wissen , hatte Nr. 1 stets gedacht, und so beschloss er, einen Versuch zu wagen.
    Er knurrte, was auf Dämonisch die höfliche Bitte war, in Anwesenheit Höhergestellter zu sprechen. Doch in der Menschensprache bedeutete es offenbar etwas anderes, denn der dünne Mann sprang auf und zog ein Messer.
    »Nicht, edler Herr«, sagte Nr. 1 und kratzte hastig ein paar Brocken aus dem Buch zusammen. »Bitte senkt Euer Schwert. Ich bringe frohe Kunde.«
    Billy Kong war verwirrt. Er hatte eigentlich geglaubt, inzwischen Englisch zu können, aber dieser komische Zwerg quatschte irgendwelchen mittelalterlichen Unsinn.
    Kong stellte sich breitbeinig vor Nr. 1 und hielt ihm das Messer an die Kehle. »Red gefälligst Klartext, du hässliche Kröte«, bellte er, versuchsweise auf Taiwanesisch.
    »Ich wünschte, ich könnte Sie verstehen«, erwiderte Nr. 1 in seinem geschraubten Englisch. »Was ich... äh... zu sagen beliebe, ist...«
    Es hatte keinen Zweck. Die Zitate aus Lady Heatherington Smythes Hecke , die er normalerweise bei jeder Gelegenheit parat hatte, fielen ihm unter diesem Druck einfach nicht ein.
    »Red Klartext, oder ich bringe dich um!«, brüllte der dünne Mann erneut.
    Und diesmal brüllte Nr. 1 zurück. »Wie soll ich

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