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Die Verlorene Kolonie

Die Verlorene Kolonie

Titel: Die Verlorene Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin Colfer
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Aufschrift sehen zu können. Er hob den Rüschenrand seiner Haube, um sich ein wenig umzuschauen, und stellte fest, dass ein Hängerkleidchen und eine Haube keineswegs der typische Aufzug von Menschenkindern war, wie Artemis behauptet hatte.
    Das ist eine schreckliche Verkleidung. Ich sehe aus wie ein Monstrum. Bestimmt werden die Leute merken, dass ich kein Mensch bin. Ich wünschte, ich könnte mich unsichtbar machen wie Holly.
    Doch selbst wenn Nr. 1 bereits die Kontrolle über seine keimenden Zauberkräfte besäße, würde es ihm nichts nützen, denn der Sichtschild hatte nie zum Repertoire der Zauberer gehört.
    Nr. 1 trat einen Schritt nach rechts und blinzelte an der im Sonnenlicht gleißenden Metallkugel vorbei. Minerva hatte sich auf den Weg gemacht. Sie kam mit kleinen, vorsichtigen Schritten auf den reservierten Tisch zu. Hinter ihr saß Kong vorgebeugt auf seinem Stuhl und wippte ungeduldig und erwartungsvoll mit den Zehen. Er war wie ein Hund an der Leine, dem die Witterung eines Fuchses in die Nase gestiegen ist.
    Minerva erreichte den Tisch. Sie lüpfte die Haube von Nr. 1, um sich zu vergewissern, dass er es wirklich war.
    »Die Haube ist nicht von mir«, sagte Nr. 1. »Und dieses alberne Kleid erst recht nicht.«
    Minerva nahm seine Hand. Vor der Entführung war sie zu achtzig Prozent Genie und zu zwanzig Prozent zwölfjähriges Mädchen gewesen. In diesem Moment hielt sich beides die Waage. »Es tut mir leid. Dass ich dich gefesselt habe und alles andere. Ich dachte, du wolltest mich fressen.«
    »Wir sind nicht alle Wilde«, sagte Nr. 1. »Und meine Handgelenke tun immer noch ein bisschen weh. Aber ich denke, ich verzeihe dir. Jedenfalls solange du niemanden mehr fesselst.«
    »Tue ich nicht. Versprochen.« Minerva blickte über den Kopf von Nr. 1 zu Artemis' Tisch. »Warum hilft er mir? Weißt du das?«
    Nr. 1 zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Unsere Freundin Holly meint, es hätte was mit der Pubertät zu tun. Anscheinend bist du hübsch, obwohl ich das, ehrlich gesagt, nicht nachvollziehen kann.«
    Ihr Gespräch wurde durch einen Pfiff unterbrochen. Billy Kong wurde ungeduldig. Er winkte Nr. 1 mit dem Zeigefinger zu sich.
    »Ich sollte besser gehen. Abdampfen. Losdackeln.«
    Minerva nickte. »Gut. Sei vorsichtig. Wir sehen uns später. Wo hast du sie? In der Hand?«
    »Ja«, erwiderte Nr. 1 automatisch, dann: »Woher weißt du davon?«
    Minerva ging langsam weiter. »Ich bin ein Genie. Ich kann nicht anders.«
    Hier muss irgendwo ein Nest sein , dachte Nr. 1. Hoffentlich ist Mister Kong nicht auch so eine Leuchte.
    Er machte sich auf den Weg, wobei er sorgsam darauf achtete, Hände und Füße unter dem Kleid zu verbergen. Er wollte auf keinen Fall einen Aufruhr verursachen, weil jemand seine grauen Stummelfinger bemerkte. Obwohl, wer weiß, vielleicht würden die Menschen sich sogar vor ihm verneigen und ihn anbeten. Schließlich sah er im Vergleich zu ihren schlaksigen Männchen unglaublich gut aus.
    Billy Kong lächelte breit, als Nr. 1 an seinem Tisch ankam. Auf seinem Gesicht wirkte das Lächeln allerdings wie ein Krankheitssymptom. Das Haar war zu perfekten Stacheln hochgegelt. Selbst während einer Entführung nahm Kong sich noch die Zeit, seine Frisur zu stylen. Eine gepflegte Erscheinung sagte doch eine Menge über einen Menschen aus.
    »Willkommen daheim, Dämon.« Mit diesen Worten packte Kong den Knirps am Kleidchen. »Wie schön, dich zu sehen. Falls du es bist...«
    »Falls ich es bin?«, sagte Nr. 1 verwirrt. »Wer sollte ich denn sonst sein?«
    »Das kann man nie so genau wissen«, schnaubte Kong. Er hob die Rüschenborte der Haube an und musterte Nr. 1 kritisch. »Wenn der kleine Fowl nur halb so clever ist, wie ich gehört habe, dann versucht er garantiert eine krumme Tour.«
    Kong musterte das Gesicht von Nr. 1, klopfte gegen die Schuppen auf seiner Stirn und zog die Lippen zurück, um das rosa Zahnfleisch und die eckigen weißen Zähne zu überprüfen. Schließlich fuhr er mit dem Finger über die Rune auf der Stirn von Nr. 1, um sicherzugehen, dass sie nicht aufgemalt war.
    »Zufrieden?«
    »Ich denke schon. Der kleine Artemis hat offenbar keine Zeit gehabt, dich auszutauschen. Ich habe ihm zu viel Druck gemacht.«
    »Sie haben uns allen zu viel Druck gemacht«, beschwerte sich Nr. 1. »Wir mussten in einer Maschine hierherfliegen, ganz nah am Mond vorbei.«
    »Mir kommen die Tränen, Kleiner. Nach allem, was ihr meinem Bruder angetan habt, kannst du froh sein, dass du noch

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