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Die Verlorene Kolonie

Die Verlorene Kolonie

Titel: Die Verlorene Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin Colfer
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zu ergreifen. Das genügte Holly. Sie schoss hinunter und streifte ein silbernes Armband über das graugrüne Handgelenk des Knirpses. Die geisterhaften Finger bewegten sich, dann nahmen sie feste Gestalt an. Die Festigkeit wanderte den Arm hinauf, verjagte das Schemenhafte und rettete Nr. 1 aus dem Zeitmeer. Sekunden später hockte dort, wo zuvor leerer Raum gewesen war, ein zitterndes Wesen.
    »War ich weg?«, fragte der Knirps. »Bin ich wieder da?«
    »Ja und ja«, sagte Holly. »Und jetzt sei ruhig. Wir müssen dich hier rausschaffen.«
    Die riesige Kugel geriet ein wenig in Schwingung, um die Kraft des Windes abzufangen, der gegen den Taipeh 101 drückte. Holly folgte der Bewegung, packte Nr. 1 an der Hand und startete senkrecht nach oben, sorgsam darauf bedacht, ihren Passagier in der Deckung des Massendämpfers zu behalten.
    In der Etage darüber befand sich ebenfalls ein Aussichtsdeck, doch es war noch nicht fertiggestellt. Ein einzelner Handwerker schnitt Teppichboden für eine Ecke des Raumes zurecht, und er wirkte gar nicht überrascht, als plötzlich ein Knirps im Rüschenkleid über das Geländer geflogen kam.
    »He«, sagte er. »Das ist ja ein Knirps im Rüschenkleid. Weißt du was, Knirps?«
    Mit einem Plumps landete Nr. 1 auf dem Boden. »Nein«, erwiderte er vorsichtig. »Was denn?«
    »Ich bin kein bisschen überrascht bei deinem Anblick«, sagte der Mann. »Im Gegenteil, du bist so unscheinbar, dass ich dich sofort vergesse, sobald du verschwunden bist.«
    Nr. 1 stand auf und rückte die Haube zurecht. »Wie ich sehe, hast du mit ihm gesprochen.«
    Holly schaltete den Sichtschild ab und vibrierte ins sichtbare Spektrum. »Ich habe ihm eine Ladung vom Blick verpasst.« Sie spähte über das Geländer hinunter in das Restaurant. »Komm her, Nummer Eins. Das musst du dir ansehen.«
    Nr. 1 drückte die Stirn gegen die Glasverkleidung. Kong und seine Kumpane verbreiteten auf ihrem Weg zum Aufzug ein einziges Chaos. Vor allem Kong war außer sich, stieß Touristen zur Seite und warf Tische um.
    »Wir haben wahrscheinlich keine Zeit für so was«, sagte Nr. 1.
    »Nein, wahrscheinlich nicht«, stimmte Holly ihm zu. Keiner von beiden rührte sich von der Stelle.
    »Na so was«, sagte der Handwerker und starrte Holly an. »Noch ein Unterirdischer. Wie langweilig.«
    Erst als die Tür des Toshiba-Aufzugs sich hinter Billy Kong und seinen Männern geschlossen hatte, wandte Holly sich zum Gehen.
    »Wie geht's jetzt weiter?«, fragte Nr. 1 und wischte sich eine Lachträne aus dem Auge.
    »Jetzt kommt der zweite Teil«, erwiderte Holly und drückte den Knopf des Aufzugs. »Zeit, Hybras zu retten.«
    »Hauptsache, es bleibt spannend«, sagte Nr. 1 und sprang in die Kabine. »He, mein erster blöder Spruch!«
     
    * * *
     
    Artemis und Butler hatten beobachtet, wie Minerva durch das Restaurant auf sie zukam. In Anbetracht der Situation legte sie eine erstaunliche Haltung an den Tag. Ihr Kinn war erhoben, und in ihren Augen lag ein entschlossener Ausdruck.
    »Butler, kann ich Sie etwas fragen?«, sagte Artemis.
    Butler versuchte, jeden einzelnen Restaurantbesucher im Blick zu behalten. »Ich bin im Moment ziemlich beschäftigt, Artemis.«
    »Nichts Kompliziertes, Sie brauchen nur mit Ja oder Nein zu antworten. Ist es normal, dass man in der Pubertät ausgerechnet in den stressigsten Momenten plötzlich ein Gefühl der Anziehung verspürt? Zum Beispiel während eines Austauschs von Geiseln?«
    »Sie ist hübsch, nicht?«
    »Sehr hübsch. Und witzig - erinnern Sie sich an ihren Scherz mit den Quarks?«
    »Und ob. Wir müssen uns bei Gelegenheit mal über Scherze unterhalten. Vielleicht könnte Minerva ja auch dabei sein. Und um Ihre Frage zu beantworten, das ist durchaus normal. Je stressiger die Situation, desto mehr Hormone produziert der Körper.«
    »Wie beruhigend. Dann können wir uns ja wieder den wirklich wichtigen Dingen zuwenden.«
    Minerva beeilte sich nicht. Mit ruhigen Schritten bewegte sie sich zwischen Menschen und Tischen hindurch auf Artemis und Butler zu.
    Als sie bei ihnen ankam, legte Butler ihr beschützend die Hand auf den Rücken. »Man könnte meinen, du wirst jeden Tag entführt«, grummelte er und schob sie Richtung Aufzug.
    Artemis folgte ihnen, wobei er sich mehrmals umsah, um sich zu vergewissern, dass ihnen niemand folgte. Doch Kong blickte nicht mal zu ihnen herüber, so glücklich war er über seinen Dämon.
    Die Tür des Aufzugs öffnete sich, und die drei traten in die Kabine. Der

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