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Die Verlorene Kolonie

Die Verlorene Kolonie

Titel: Die Verlorene Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin Colfer
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Nachricht?«, entgegnete Holly missmutig. Sie war schlecht gelaunt, und dafür gab es mehrere Gründe. Erstens war sie als Menschenmädchen verkleidet, weil Artemis sie gebeten hatte, ihre Magie für einen späteren Moment aufzusparen. Zweitens hatte sie es zwar geschafft, ihre magischen Kräfte aufzuladen - sie hatte die versiegelte Eichel, die sie immer am Hals trug, vorschriftsmäßig in der Erde vergraben -, aber da kein Vollmond war, hatte sie ihre Reserven nur zum Teil auffüllen können. Drittens war sie völlig vom Erdvolk abgeschnitten, und viertens hatte sie nicht den geringsten Zweifel, dass Ark Sool ihr ein Verfahren an den Hals hängen würde - falls überhaupt einer von ihnen diese Übergabe überlebte. Schließlich hatte sie Nr. 1 um die halbe Welt geschleift, statt ihn sicher nach Haven City zu eskortieren.
    »Die gute Nachricht ist, dass Kong auch nicht viel schneller sein wird, also hat er vermutlich ebenfalls keine Zeit, uns eine Falle zu stellen.«
    Der gemietete Lexus bog in das Shinyi-Viertel ein. Der Taipeh 101 ragte vor ihnen aus dem Häuserdickicht wie ein riesiger Bambusspross. Die Gebäude um ihn herum schienen in ehrfurchtsvoller Bewunderung zurückzuweichen.
    Butler verrenkte sich den Hals, um die Spitze des über fünfhundert Meter hohen Turms zu sehen. »Es muss immer das Größte sein, nicht? Warum können wir uns zur Abwechslung nicht mal in einem normalen Café treffen?«
    »Ich habe den Treffpunkt nicht gewählt«, sagte Artemis. »Im Gegenteil: Er hat uns gewählt. Das Schicksal hat uns hierhergeführt.«
    Er tippte Butler auf die Schulter, und der Leibwächter begann, nach einem freien Parkplatz zu suchen. Es dauerte ewig. Der Verkehr in Taipeh war dicht und zähflüssig und spuckte Qualm aus wie ein gereizter Drache. Viele der unzähligen Fußgänger und Radfahrer trugen einen Mundschutz vor dem Gesicht.
    Als der Wagen endlich geparkt war, setzte Artemis sein Briefing fort. »Der Taipeh 101 ist ein Wunderwerk moderner Technik. Die Architekten haben sich dabei vom schlichten Bambus inspirieren lassen. Doch die Form allein sichert den Wolkenkratzer nicht gegen Erdbeben oder Stürme ab, deshalb haben sie ihn mit Doppelsäulen aus stahlummanteltem Hochleistungsbeton gestützt und eine knapp siebenhundert Tonnen schwere Stahlkugel, einen sogenannten Schwingungsdämpfer, als Pendel eingebaut, um die Schwankungen infolge von Wind oder Erschütterungen auszugleichen. Eine geniale Idee. Anstelle des Turmes schwingt das Pendel. Es ist zu einer Touristenattraktion geworden. Man kann es sogar vom Aussichtsdeck sehen. Die Besitzer haben die Kugel mit einer fünfzehn Zentimeter dicken Schicht aus massivem Silber überziehen lassen, die der berühmte taiwanesische Künstler Alexander Chou mit kunstvollen Gravuren versehen hat.«
    »Besten Dank für den erbaulichen Vortrag über moderne Kunst«, unterbrach Holly ihn. »Wie wär's, wenn du uns jetzt deinen Plan mitteilst? Ich will das Ganze endlich hinter mich bringen und aus diesem lächerlichen Jogginganzug raus. Der glänzt so stark, dass mich wahrscheinlich jeder Satellit orten kann.«
    »Mir gefällt mein Aufzug auch nicht besonders«, beschwerte sich Nr. 1, der eine Rüschenhaube und ein orangefarbenes Hängerkleidchen mit Blumenmuster trug. Orange, fand er, stand ihm überhaupt nicht.
    »Der Aufzug dürfte dein geringstes Problem sein«, bemerkte Holly. »Wenn ich richtig vermute, werden wir dich gleich einem blutrünstigen Killer übergeben, nicht wahr, Artemis?«
    »In der Tat«, bestätigte Artemis. »Allerdings nur für ein paar Sekunden. Dir droht so gut wie keine Gefahr. Und wenn ich recht habe mit meinen Berechnungen, wäre es am Ende sogar möglich, dass wir Hybras retten.«
    »Moment mal«, sagte Nr. 1, die Rune auf der geschuppten Stirn in Falten gelegt. »Auf Hybras können ein paar Sekunden sehr lang sein.«
    »Hier nicht«, versuchte Artemis ihn zu beruhigen. »Hier sind ein paar Sekunden ungefähr so lange, wie man braucht, um die Hand aufzumachen.«
    Nr. 1 probierte es ein paarmal aus. »Das ist immer noch ziemlich lange. Lässt sich das nicht verkürzen?«
    »Nein. Wenn wir das tun, setzen wir Minervas Leben aufs Spiel.«
    »Na ja, immerhin hat sie mich an einen Stuhl gefesselt.« Nr. 1 sah in die schockierten Gesichter um ihn herum. »Was ist? War doch nur ein Scherz. Natürlich mache ich's. Aber bitte nie wieder Orange.«
    Artemis' Lächeln reichte nicht bis zu seinen Augen. »Einverstanden, nie wieder Orange. Und jetzt

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