Die verlorene Tochter (Romantik Thriller /Unheimlich) (German Edition)
glücklich Sie sind, so einen kleinen Schatz Ihr eigen zu nennen."
"Es ist mir bewußt, Lord Winslow", erwiderte Sharon ernst. Sie blickte zur Uhr. "Für Julie wird es Zeit, zu Bett zu gehen."
Ihr Arbeitgeber nickte. "Ja, bringen Sie Ihre kleine Tochter zu Bett. Ich erwarte Sie dann in einer halben Stunde im Salon. Sicher hätten Sie nichts gegen eine Tasse Kaffee."
"Ich weiß nicht, ob ich Julie schon heute abend alleine lassen kann", meinte die junge Frau unsicher. "Immerhin ist es eine fremde Umgebung."
"Machen Sie sich darüber keine Gedanken. Peggy wird bei ihr bleiben. Sie können sich hundertprozentig auf das Mädchen ve rlassen."
Was blieb Sharon anderes übrig, als sich dem Wunsch des Lords zu beugen? Immerhin handelte es sich bei ihm um ihren Chef, und sie wollte ihn nicht verärgern. Trotzdem war es ihr nicht recht, Julie dem Hausmädchen zu überlassen. Sie rechnete damit, daß ihre kleine Tochter Protest einlegen würde, deshalb übe rraschte es sie, als nichts dergleichen geschah.
"Gute Nacht, Mommy", sagte Julie, nachdem sie in einem la ngen Nachthemd in ihrem Bett lag, und schlang die Arme um den Nacken ihrer Mutter. "Peggy wird mir noch ein Märchen vorlesen." Sie blickte zum bunten Betthimmel hinauf. "Hier ist es so schön, Mommy, so wunderschön."
Sharon küßte sie zärtlich. "Schlaf gut, Lovely, und wenn was ist, dann sage Peggy, daß sie mich holen soll."
"Ich werde gut auf sie achten, Mistreß Miles", versprach Peggy. Mit einem aufgeschlagenen Märchenbuch setzte sie sich an Julies Bett. "Machen Sie sich keine Sorgen."
Die junge Frau verließ das Kinderzimmer. Tief in Gedanken stieg sie die beiden Treppen zum Erdgeschoß des Hauses hinunter. Sie wußte inzwischen, wo sich der Salon befand. Robin, der in seinem Korb unterhalb der Treppe gelegen hatte, lief ihr entgegen. Es freute sie, daß der Hund nicht nur Julie sondern auch ihr sein Zutrauen schenkte. Sie mochte Hunde, auch wenn sie Doggen bisher immer etwas mißtraut hatte. "Wir werden sicher prächtig miteinander auskommen, Robin", meinte sie und tätschelte seinen Hals.
Der Hund lief neben ihr her zum Salon. Er stieß die angelehnte Tür auf und tapste über den Teppich bis zum Kamin. Mit einem tiefen Seufzer ließ er sich auf dem Bärenfell nieder.
"Schläft Julie schon?" fragte Lord Winslow und ging ihr entg egen.
"Nein, Peggy liest ihr noch eine Geschichte vor." Sharon sah sich im Salon um. Über dem Kamin entdeckte sie ein großes Bild, das eine junge Frau mit einem kleinen Mädchen zeigte. Bereits auf den ersten Blick erkannte sie, daß es sich bei dem Kind um Viola handeln mußte. Julie sah ihr wirklich sehr ähnlich. Kein Wunder, daß Jones und Mrs. Hale so überrascht g ewesen waren.
"Meine Tochter Viola", sagte Lord Winslow. "Ich habe sie sehr geliebt. Manchmal wache ich nachts auf und stelle mir vor, sie würde mir am nächsten Morgen entgegenlaufen." Er stieß heftig den Atem aus. "Das Leben kann sehr grausam sein. Viola wäre jetzt fast dreizehn."
"Es ist immer schlimm, einen geliebten Menschen zu verlieren", meinte Sharon. Sie sprach von ihrem verstorbenen Mann.
"Sie müssen einander sehr geliebt haben", bemerkte Lord Winslow. Er führte sie zu einem Sessel und bat sie, Platz zu ne hmen. Dann setzte er sich ihr gegenüber. Robin stand vom Kamin auf ließ sich zu seinen Füßen nieder.
Lautlos servierte Jones den Kaffee.
Während der nächsten halben Stunde unterhielt sich Sharon sehr angeregt mit ihrem neuen Arbeitgeber. Er schien sich für alles zu interessieren. Scheinbar gab es kaum ein Thema, von dem er keine Ahnung hatte. Plötzlich kam er auf die Modenschau zu sprechen und auch auf den Tod von Edward Brown.
Über das Gesicht der jungen Frau legte sich ein Schatten. "Ich kann noch immer nicht glauben, daß Mister Brown Selbstmord begangen haben soll", g estand sie.
"Mir ist es genauso unverständlich, Mistreß Miles", gab Lord Winslow zu. Er sah sie lange an. "Haben Sie ihn geliebt?"
"Geliebt? - Nein." Sie schüttelte den Kopf. "Doch ich schätzte ihn. Mister Brown gehörte zu den wenigen Männern, die mir wirklich etwas bedeuteten."
"Es gibt nicht sehr viele Menschen auf dieser Welt, denen man sein absolutes Vertrauen schenken kann. Leider mußte ich diese Erfahrung schon sehr oft machen." Sein Gesicht verdunkelte sich. "Manchmal kann man nicht einmal den Menschen in seiner näc hsten Umgebung vertrauen."
Als sich Sharon zwei Stunden später zum Schlafen zurech tmachte, mußte sie wieder über die
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