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Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition)

Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition)

Titel: Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Morton
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trocknete.
    »Ich erwarte nicht von dir, dass du mir verzeihst«, sagte sie. »Und ich weiß, dass wir die Zeit nicht zurückdrehen können, das weiß ich wirklich, aber ich musste es dir einfach sagen. Ich habe so ein schlechtes Gewissen, und ich wollte mich bei dir entschuldigen, von Angesicht zu Angesicht, damit du siehst, dass ich es ernst meine.« Sie blinzelte ein paar Tränen fort. »Ich meine es ernst, Jimmy. Es tut mir so leid.«
    Er nickte. Er hätte etwas sagen sollen, aber er war so überrascht und gerührt, dass er nicht die richtigen Worte fand. Es schien auch nicht so wichtig zu sein, denn jetzt lächelte sie ihn erleichtert an. In ihrem Lächeln blitzte ihre alte Lebendigkeit wieder auf, und am liebsten hätte Jimmy diesen Augenblick für immer festgehalten, damit er nie wieder verschwand. Sie war eine Frau, die man glücklich machen musste, dachte er. Nicht weil sie es aus Egoismus erwartete, sondern weil es einfach zu ihr gehörte.
    »So«, sie seufzte. »Jetzt ist es raus.«
    »Ja, jetzt ist es raus«, sagte er mit zitternder Stimme und fuhr mit der Fingerspitze über ihre Lippen.
    Sie drückte ihm einen Kuss auf die Finger, dann schloss sie die Augen. Ihre Wimpern lagen dunkel und feucht auf ihren Wangen.
    Eine Weile verharrte sie so, als wollte auch sie am liebsten die Welt anhalten. Als sie sich schließlich von ihm löste, schaute sie ihn schüchtern an. »So«, sagte sie.
    »So.« Er nahm seine Zigaretten heraus und bot ihr eine an. Sie nahm sie freudig.
    »Du kannst Gedanken lesen. Ich hab keine einzige mehr.«
    »Das passt aber gar nicht zu dir.«
    »Nein? Tja, dann hab ich mich wohl geändert.«
    Sie sagte es leichthin, aber es stimmte so sehr mit dem überein, was er gesehen hatte, dass Jimmy die Stirn runzelte. Er zündete erst ihre, dann seine Zigarette an, dann zeigte er in die Richtung, aus der er gekommen war. »Wir sollten jetzt lieber gehen«, sagte er. »Wenn wir hier noch lange rumstehen und miteinander flüstern, werden wir noch als Spione verhaftet.«
    Sie gingen zum Ausgang des Parks, wo einmal die Tore gestanden hatten, und plauderten wie höfliche Fremde über dies und das. An der Straße blieben sie stehen, jeder in der Erwartung, dass der andere entschied, wie es weiterging. Dolly ergriff die Initiative und sagte: »Ich bin froh, dass du gekommen bist, Jimmy. Ich habe es nicht verdient, aber trotzdem danke.« In ihrem Ton schwang eine Endgültigkeit mit, die er erst nicht verstand, aber als sie ihm dann tapfer lächelnd die Hand hinstreckte, begriff er, dass sie gehen wollte. Sie hatte ihn um Verzeihung gebeten, das getan, was ihm ihrer Meinung nach gefallen würde, und jetzt wollte sie einfach weggehen.
    In dem Augenblick sah er es glasklar vor sich. Das Einzige, was er wirklich wollte, war nach wie vor, sie zu heiraten, für sie zu sorgen und alles wieder in Ordnung zu bringen. »Dolly, warte …«
    Sie hatte sich bereits die Handtasche über die Schulter gehängt und sich zum Gehen gewandt, aber sie drehte sich noch einmal um.
    »Komm mit«, sagte er. »Ich muss erst später wieder arbeiten. Lass uns was essen gehen.«
    Früher wäre Jimmy anders mit der Situation umgegangen, hätte sich einen Plan zurechtgelegt und sich bemüht, alles richtig zu machen, aber nicht jetzt. Zum Teufel mit dem Stolz und der verdammten Perfektion. Dafür hatte er keine Zeit. Er hatte hautnah erlebt, dass nichts im Leben von Dauer war – eine Bombe, und alles war vorbei. Er wartete, bis sie bei der Kellnerin bestellt hatten, dann straffte er sich und sagte: »Dolly, mein Angebot gilt immer noch. Ich liebe dich, ich habe dich immer geliebt. Ich wünsche mir nichts so sehr, wie dich zu heiraten.«
    Sie schaute ihn mit großen Augen an. Wer sollte es ihr verdenken: Sie hatte gerade erst darüber nachgedacht, ob sie lieber Rührei oder Kaninchenragout essen wollte, und jetzt das. »Wirklich? Trotz allem …?«
    »Ja. Trotz allem.« Er streckte seinen Arm aus, und sie legte ihre Hand in seine. Jetzt wo sie den Pelzmantel abgelegt hatte, sah er die Schrammen an ihren blassen, dünnen Armen. Er schaute ihr in die Augen, entschlossener denn je, für sie zu sorgen. »Ich kann dir keinen Ring schenken, Doll«, sagte er und schob seine Finger zwischen ihre. »Wir sind ausgebombt worden, und ich habe alles verloren. Einen Moment lang dachte ich sogar, ich hätte meinen Vater verloren.« Dolly nickte, offenbar immer noch verblüfft, und Jimmy fuhr fort. Er hatte das vage Gefühl, dass er vom Kurs abkam,

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