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Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition)

Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition)

Titel: Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Morton
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dass er zu viel redete, dass er nicht das Richtige sagte, doch er konnte sich nicht bremsen. »Aber Gott sei Dank hat er überlebt. Der alte Knabe ist nicht unterzukriegen. Er war beim Roten Kreuz, als ich ihn gefunden habe. Saß gemütlich da bei einer Tasse Tee.« Jimmy lächelte bei der Erinnerung, dann schüttelte er den Kopf. »Wie auch immer – der Ring ist nicht mehr da. Aber sobald ich kann, kaufe ich dir einen neuen.«
    Dolly schluckte. »Ach, Jimmy«, sagte sie; ihre Stimme klang weich und traurig. »Wie schlecht musst du von mir denken, dass du glaubst, so etwas wäre mir wichtig.«
    Jimmy sah sie verdutzt an. »Ist es das denn nicht?«
    »Natürlich nicht. Ich brauche keinen Ring, um zu dir zu gehören.« Sie drückte seine Hand, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Ich liebe dich auch, Jimmy. Ich habe dich immer geliebt. Was kann ich nur tun, um dich davon zu überzeugen?«
    Sie aßen schweigend, blickten nur hin und wieder auf, um einander anzulächeln. Als sie fertig waren, zündete Jimmy sich eine Zigarette an und sagte: »Ich nehme an, deine alte Dame möchte, dass du heiratest und ausziehst.«
    Sie sah ihn entgeistert an.
    »Was ist los?«
    Sie erzählte ihm die ganze Geschichte. Dass Lady Gwendolyn gestorben war, dass sie nicht mehr in dem Haus in der Campden Grove wohnte und wieder in das winzige Zimmer am Rillington Place gezogen war. Dass sie mittellos dastand und jetzt in einer Munitionsfabrik arbeitete, um ihre Miete bezahlen zu können.
    »Ich dachte, Lady Gwendolyn hätte dich in ihrem Testament bedacht«, sagte Jimmy. »Hast du mir das nicht erzählt?«
    Sie schaute zum Fenster, und ihr Gesicht, das eben noch so gestrahlt hatte, wirkte plötzlich verbittert. »Ja«, sagte sie. »Sie hatte es mir versprochen. Aber das war, bevor sich alles geändert hat.«
    An ihrem Gesichtsausdruck erkannte Jimmy, dass das, was zwischen ihr und ihrer Arbeitgeberin vorgefallen war, was auch immer es sein mochte, die Ursache für die Niedergeschlagenheit war, die er anfangs gespürt hatte. »Was hat sich denn geändert, Dolly?«
    So wie sie seinem Blick auswich, war nicht zu übersehen, dass sie es ihm lieber nicht erzählen wollte, aber Jimmy musste es wissen. Es war egoistisch, sicher, aber er liebte sie, er würde sie heiraten, und er würde ihr das nicht durchgehen lassen. Er lehnte sich wortlos zurück, um ihr klarzumachen, dass er so lange warten würde, bis sie mit der Sprache herausrückte. Das musste sie gespürt haben, denn schließlich seufzte sie. »Eine Frau hat sich eingeschaltet, Jimmy, eine einflussreiche Frau. Sie ist mir feindlich gesinnt und hat es sich zur Aufgabe gemacht, mir das Leben zur Hölle zu machen.« Sie wandte sich vom Fenster ab und schaute ihn an. »Ich war ganz auf mich allein gestellt. Gegen Vivien hatte ich keine Chance.«
    »Vivien? Die Frau aus der Kantine? Aber ich dachte, ihr wärt Freundinnen?«
    »Ja, das dachte ich auch«, sagte Dolly mit einem traurigen Lächeln. »Anfangs waren wir das auch, glaube ich.«
    »Was ist denn passiert?«
    Dolly zitterte in ihrer dünnen weißen Bluse und schaute auf den Tisch. Sie wirkte sehr unsicher, sodass Jimmy sich fragte, ob ihr das, was sie ihm erzählen wollte, peinlich war. »Ich wollte ihr etwas zurückbringen, eine Halskette, die sie verloren hatte, aber als ich bei ihr geklingelt habe, war sie nicht zu Hause. Ihr Mann hat aufgemacht – ich habe dir von ihm erzählt, dieser Schriftsteller. Er hat mich ins Haus gebeten und mir angeboten, auf Vivien zu warten, und ich habe das Angebot angenommen.« Sie senkte den Kopf, und ihre Locken wogten sanft. »Das hätte ich vielleicht nicht tun sollen, ich weiß, denn als Vivien nach Hause gekommen ist und mich gesehen hat, ist sie wütend geworden. Ich habe es ihr gleich angesehen, sie dachte, wir … Na ja, du kannst dir vorstellen, was ich meine. Ich habe versucht, es zu erklären, ich dachte, sie würde verstehen, aber dann …« Sie schaute wieder zum Fenster, und ein Sonnenstrahl fiel auf ihre Wange. »Na ja, sagen wir einfach, ich habe mich getäuscht.«
    Jimmys Herz hatte angefangen, heftig zu pochen, vor Empörung, aber auch vor Angst. »Was hat sie getan, Dolly?«
    Er sah, dass sie schwer schluckte, und er fürchtete schon, sie würde gleich anfangen zu weinen. Aber dann wandte sie sich ihm zu, und ihr Gesichtsausdruck war so traurig, so verletzt. Kaum hörbar sagte sie: »Sie hat ganz schreckliche Lügen über mich verbreitet, Jimmy. Sie hat mich ihrem Mann

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