Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition)
neues Leben anfangen?«
»Du weißt doch, dass ich das will, Dolly. Aber das Geld. Es reicht noch nicht, ich …«
»Du hörst mir nicht richtig zu. Das ist ja genau das, wovon ich rede. Ich weiß, wie wir an Geld herankommen können.«
Sie schaute ihn durchdringend an, und obwohl sie ihm ihre Idee noch gar nicht unterbreitet hatte, wurde ihm das Herz schwer. Aber er schob das Gefühl beiseite. Diesen glücklichen Tag wollte er sich durch nichts verderben lassen.
»Erinnerst du dich noch«, sagte sie, während sie sich eine Zigarette aus seinem Päckchen nahm, das auf dem Tisch lag, »wie du mal gesagt hast, du würdest alles für mich tun?«
Jimmy sah ihr zu, wie sie das Streichholz anriss. Er erinnerte sich, dass er das gesagt hatte; und er hatte es ernst gemeint. Aber etwas an der Art, wie ihre Augen funkelten, wie ihre Finger mit der Streichholzschachtel spielten, ließen ihn nichts Gutes ahnen. Er wusste nicht, was sie als Nächstes sagen würde, nur, dass er es nicht hören wollte.
Dolly zog heftig an der Zigarette und stieß eine große Rauchwolke aus. »Vivien Jenkins ist eine reiche Frau, Jimmy. Und sie ist eine Lügnerin und Betrügerin, die alles unternommen hat, um mir zu schaden, meine Freundinnen gegen mich einzuneh men und mir das Erbe zu stehlen, das Lady Gwendolyn mir versprochen hatte. Aber ich kenne sie, und ich kenne auch ihren Schwachpunkt.«
»Ach?«
»Ein ihr ergebener Ehemann, dem es das Herz brechen würde, wenn er wüsste, dass sie ihm untreu ist.«
Jimmy nickte mechanisch.
Dolly fuhr unbeirrt fort. »Ich weiß, es klingt verrückt, Jimmy, aber lass mich zu Ende reden. Was, wenn jemand ein Foto machen würde, auf dem Vivien mit ihrem Liebhaber zu sehen ist?«
»Ja, was wäre dann?«, wiederholte Jimmy tonlos.
Sie schaute ihn an, ein nervöses Lächeln umspielte ihre Lippen. »Ich könnte mir vorstellen, dass sie viel Geld bezahlen würde, um das Foto in die Hand zu bekommen. Gerade genug, dass es für zwei Verliebte reichen würde, die es verdient haben, ein neues Leben anzufangen.«
Während Jimmy versuchte zu verdauen, was sie ihm da erzählte, dachte er, dass das sicherlich wieder eins von Dollys Spielchen war. Dass sie jeden Augenblick losprusten und sagen würde: »War nur ein Scherz! Das traust du mir doch nicht ernsthaft zu?«
Aber das tat sie nicht. Stattdessen nahm sie seine Hand und küsste sie zärtlich. »Geld, Jimmy«, flüsterte sie, während sie seine Hand an ihre warme Wange drückte. »Genau, wie du gesagt hast. Genug Geld, dass wir heiraten und bis an unser Lebensende glücklich sein können – hast du dir das nicht immer gewünscht?«
Natürlich hatte er sich das gewünscht, das wusste sie genau.
»Sie hat es nicht besser verdient, Jimmy. Das hast du selbst gesagt – nach allem, was sie mir angetan hat.« Dolly zog an ihrer Zigarette und redete hastig weiter, während ihr der Rauch aus Mund und Nase quoll. »Sie war es übrigens auch, die mich dazu gebracht hat, mich von dir zu trennen, weißt du. Sie hat mich gegen dich aufgehetzt, Jimmy. Hat mir immer wieder gesagt, es wäre falsch, mit dir zusammenzubleiben. Siehst du nicht, wie viel Kummer sie uns bereitet hat?«
Jimmy wusste nicht, was er denken sollte. Was sie ihm da vorschlug, erfüllte ihn mit Entsetzen. Er verabscheute sich dafür, dass er das nicht laut aussprach. Stattdessen hörte er sich sagen: »Ich nehme an, du möchtest, dass ich dieses Foto mache. Ist es das?«
Dolly lächelte ihn an. »Nein, das ist es ganz und gar nicht, Jimmy. Wir müssten zu vieles dem Zufall überlassen, und es wäre viel zu gefährlich, ihnen aufzulauern, um sie in flagranti zu erwischen. Meine Idee ist viel einfacher, sie ist geradezu ein Kinderspiel.«
»Na dann«, sagte er, den Blick auf den Tisch geheftet. »Wie lautet denn deine Idee? Ich höre.«
» Ich werde das Foto machen.« Sie zupfte neckisch an seinem Hemdknopf, sodass er sich löste und in ihre Hand fiel. »Und du wirst auf dem Foto sein.«
21
London, 2011
L aurel kam gut durch auf der Autobahn, und gegen elf fuhr sie die Euston Road hinunter auf der Suche nach einem Parkplatz. Sie fand einen in der Nähe der U-Bahn-Station und stellte ihren grünen Mini ab. Perfekt – die British Library war nur ein paar Straßen weit entfernt, und gleich um die Ecke hatte sie die blau-weiß gestreifte Markise des Café Nero entdeckt. Sie hatte den ganzen Vormittag noch keinen Kaffee getrunken und brauchte jetzt unbedingt eine Dosis Koffein.
Zwanzig Minuten
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