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Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition)

Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition)

Titel: Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Morton
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Richtige«, sagte Dolly am Abend, als er ihr alles erzählte. Sie hatte aufmerksam zugehört, hatte die Augen aufgerissen, als er den Spiegel vor der hinteren Tür erwähnt und beschrieben hatte, wie Vivien errötet war – schuldbewusst, da waren sie sich einig –, als sie bemerkt hatte, dass Jimmy sie beim Zurechtmachen beobachtete. (»Hab ich’s dir nicht gesagt, Jimmy? Sie trifft sich hinter dem Rücken ihres Mannes mit diesem Arzt.«) Jetzt lächelte Dolly. »Ach, Jimmy, wir haben es bald geschafft.«
    Da war Jimmy sich nicht so sicher. Er zündete sich eine Zigarette an. »Ich weiß nicht, Doll. Es ist kompliziert … Ich habe Vivien versprochen, nie wieder in dieses Krankenhaus zu gehen.«
    »Und Nella hast du das Gegenteil versprochen.«
    »Du siehst also, wo mein Problem ist.«
    »Welches Problem? Du wirst doch nicht etwa ein Versprechen brechen, das du einem Kind gegeben hast, oder? Noch dazu einem Waisenkind.«
    Nein, das würde er natürlich nicht tun. Aber offenbar hatte Dolly noch nicht verstanden, wie feindselig Vivien gewesen war.
    »Jimmy?«, sagte sie. »Du wirst Nella doch nicht enttäuschen?«
    »Nein, nein.« Er wedelte mit der Hand, in der er die Zigarette hielt. »Ich gehe sie besuchen. Aber das wird Vivien nicht gefallen. Das hat sie mir unmissverständlich klargemacht.«
    »Du wirst sie schon besänftigen.« Dolly nahm zärtlich sein Gesicht in beide Hände. »Ich glaube, du weißt gar nicht, welche Wirkung du auf die Leute hast.« Sie kam mit ihrem Gesicht so nah, dass ihre Lippen beinahe sein Ohr berührten, und gurrte: »Sieh nur, welche Wirkung du auf mich hast.«
    Jimmy lächelte abwesend, als sie ihn küsste. Er versuchte sich Viviens wütendes Gesicht vorzustellen, wenn sie mitbekam, dass er entgegen ihren deutlichen Anweisungen noch einmal ins Krankenhaus kam. Er überlegte gerade, wie er ihr sein Handeln erklären sollte – ob es ausreichte zu sagen, Nella habe ihn gebeten, sie noch einmal zu besuchen –, als Dolly sich zurücklehnte und sagte: »Es ist wirklich die beste Lösung.«
    Jimmy nickte. Sie hatte recht. Natürlich hatte sie recht.
    »Du besuchst Nella, läufst dabei Vivien über den Weg, verabredest mit ihr Zeit und Ort für ein Treffen und überlässt den Rest mir.« Sie legte den Kopf schief und lächelte ihn an. Auf einmal wirkte sie viel jünger. »Kinderspiel.«
    Jimmy brachte lediglich ein schwaches Lächeln zustande. »Kinder spiel.«
    Es war nicht so einfach wie gedacht. Im Lauf der nächsten vierzehn Tage ging Jimmy bei jeder sich bietenden Gelegenheit ins Krankenhaus, um Nella zu besuchen, aber dabei traf er nicht auf Vivien. Zweimal nur sah er sie von Weitem. Beim ersten Mal verließ sie das Krankenhaus genau in dem Moment, als er in die Highbury Street einbog. Sie blieb kurz an der Tür stehen, um sich nach allen Seiten umzusehen, und hielt sich dabei ihr Halstuch vors Gesicht, weil sie offenbar nicht erkannt werden wollte. Er beschleunigte seine Schritte, aber bis er das Krankenhaus erreichte, war sie bereits mit gesenktem Kopf in die entgegengesetzte Richtung davongeeilt. Beim zweiten Mal war sie nicht so vorsichtig gewesen. Jimmy hatte gerade das Krankenhaus betreten und wartete auf Myra (die Frau mit dem zinngrauen Haar, mit der er sich inzwischen ein bisschen angefreundet hatte), um ihr Bescheid zu sagen, dass er nach oben gehen würde, um Nella zu besuchen, als ihm auffiel, dass die hintere Tür weit offen stand. Es war ihm gelungen, einen kurzen Blick in Dr. Tomalins Sprechzimmer zu werfen, und dort hatte er Vivien gesehen, die leise mit jemandem lachte, der offenbar hinter der Tür stand. Dann hatte sich eine Männerhand auf ihren nackten Unterarm gelegt, und Jimmy war fast das Herz stehen geblieben.
    Hätte er doch nur seine Kamera dabeigehabt. Von dem Arzt konnte er nicht viel sehen, dafür sah er Vivien umso deutlicher – die Hand des Mannes auf ihrem Arm, den glücklichen Ausdruck in ihrem Gesicht.
    Dass er aber auch ausgerechnet an dem Tag ohne Kamera unterwegs gewesen war! Mehr hätten sie nicht gebraucht. Im nächsten Moment war Myra herausgekommen, hatte die Tür geschlossen und ihn freundlich begrüßt.
    Dann endlich, zu Beginn der dritten Woche, als Jimmy gerade die Treppe hochgekommen war und über den Flur ging, um Nella zu besuchen, sah er eine vertraute Gestalt vor sich her gehen. Er blieb stehen und betrachtete angelegentlich das »Dig for Victory«-Plakat an der Wand, das ein kleines Kind mit Hacke und Spaten zeigte, während er auf

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