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Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition)

Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition)

Titel: Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Morton
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seinem Vater zu erzählen – etwas an ihrem Blick, als sie von ihrer Familie sprach, die Geschichten, die er sie hatte erzählen hören, die voller Magie und Sehnsucht waren und die Zeit vergessen ließen, das plötzliche Bedürfnis, jemanden an seiner Situation teilhaben zu lassen. Wie auch immer, er hatte ihr von seinem Vater erzählt, und sie hatte Fragen gestellt, und Jimmy hatte an den Tag denken müssen, als er sie zum ersten Mal im Umgang mit den Kindern erlebt hatte, wie aufmerksam sie ihnen zugehört hatte. Und als sie gesagt hatte, sie würde seinen Vater gern kennenlernen, hatte Jimmy es zuerst für eine bloße Höflichkeitsfloskel gehalten, die die Leute von sich gaben, wenn sie in Wirklichkeit daran dach ten, dass sie ihren Zug nicht verpassen durften, und sich fragten, ob sie es noch rechtzeitig zum Bahnhof schaffen würden. Aber bei der nächsten Theaterprobe hatte sie es noch einmal wiederholt und hinzugefügt: »Ich habe etwas für ihn mitgebracht. Etwas, das ihm bestimmt gefallen wird.«
    Und das hatte sie tatsächlich. Als Jimmy sie dann in der Woche darauf endlich mit nach Hause genommen hatte, hatte sie seinem Vater ein Stück Sepiaschale geschenkt. »Für Finchie.« Sie habe sie am Strand gefunden, sagte sie, als sie mit Henry zu Besuch bei der Familie seines Verlegers gewesen sei.
    »Sie ist ein reizendes Mädchen, mein Junge«, hatte sein Vater laut gesagt. »Sehr hübsch – wie auf einem Gemälde. Und nett. Werdet ihr mit der Hochzeit warten, bis wir wieder an der Küste sind?«
    »Ich weiß nicht, Dad«, sagte Jimmy mit einem Seitenblick zu Vivien, die so tat, als würde sie sich intensiv für ein paar seiner Fotos interessieren, die an der Wand hingen. »Warten wir’s einfach ab, einverstanden?«
    »Aber warte nicht zu lange, Jimmy. Deine Mum und ich, wir werden nicht jünger.«
    »Na klar, Dad. Du bist der Erste, der es erfährt – versprochen.«
    Als er Vivien später zur U-Bahn begleitete, hatte er ihr erklärt, dass sein Vater seit einiger Zeit sehr verwirrt war, und gehofft, dass ihr die Situation nicht allzu peinlich gewesen war.
    Sie wirkte überrascht. »Sie müssen sich nicht für Ihren Vater entschuldigen, Jimmy.«
    »Ja, ich weiß. Ich … ich wollte nur nicht, dass Sie sich unwohl fühlen.«
    »Aber ganz im Gegenteil. Ich habe mich schon lange nicht mehr so wohlgefühlt.«
    Eine Zeit lang gingen sie schweigend weiter, dann sagte Vivien: »Wollen Sie wirklich an die Küste ziehen?«
    »Das ist der Plan.« Jimmy zuckte zusammen. Plan . Er hatte das Wort ausgesprochen, ohne nachzudenken, und verfluchte sich dafür. Es war ihm extrem unangenehm, Vivien das Zukunftsszenario zu beschreiben, das für ihn so untrennbar mit Dorothys intrigantem Plan verwoben war.
    »Und Sie werden heiraten.«
    Er nickte.
    »Das ist wunderbar, Jimmy. Ich freue mich für Sie. Ist sie nett? Natürlich ist sie das, was für eine alberne Frage.«
    Jimmy lächelte schwach und hoffte, dass das Thema damit beendet war. Dann fragte Vivien: »Nun?«
    »Nun?«
    Sie lachte. »Erzählen Sie mir von ihr.«
    »Was wollen Sie denn wissen?«
    »Ich weiß nicht … das Übliche halt … Wie Sie sich kennengelernt haben?«
    Jimmy dachte an das Café in Coventry. »Ich trug einen Sack Mehl auf der Schulter.«
    »Und sie fand Sie unwiderstehlich«, neckte Vivien. »Sie hat also offenbar ein Faible für Mehl. Was mag sie sonst noch? Wie ist sie so?«
    »Sie ist verspielt«, sagte Jimmy mit belegter Stimme. »Voller Leben, voller Träume.« Das Gespräch gefiel ihm ganz und gar nicht. Er dachte an Dolly, an das junge Mädchen, das sie gewesen war, an die junge Frau, zu der sie geworden war. »Sie hat ihre ganze Familie bei einem Bombenangriff verloren.«
    »Ach, wie schrecklich.« Vivien sah ihn bestürzt an. »Die Ärmste. Sie muss am Boden zerstört sein.«
    Ihr Mitgefühl war tief und echt, und Jimmy konnte es nicht ertragen. Die Scham über die Täuschung und die Rolle, die er dabei spielte. Die Verzweiflung über das Doppelspiel trieb ihn dazu, ihr eine ehrliche Antwort zu geben. Vielleicht hoffte er sogar unbewusst, dass die Wahrheit Dollys Plan vereiteln würde. »Es könnte sein, dass Sie sie kennen.«
    »Ach ja?« Sie schaute ihn an, als wäre der Gedanke erschreckend. »Wie kann das sein?«
    »Sie heißt Dolly.« Er hielt den Atem an, weil er daran denken musste, auf welch unangenehme Weise die beiden sich entzweit hatten. »Dolly Smitham.«
    »Nein«, sagte Vivien sichtlich erleichtert. »Nein, den Namen habe

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