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Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition)

Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition)

Titel: Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Morton
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drei Minuten und vier Sekunden.
    Laurel jubilierte – bis sie feststellte, dass die vorwitzigen Hüh ner genau das getan hatten, was sie ihnen verboten hatte. Sie rannten kreuz und quer durch Daddys Gemüsegarten, zupften an den Maiskolben, als wären sie halb verhungert.
    »Hey!«, rief Laurel. »Ihr dummen Hühner! Zurück in euer Gehege!«
    Sie reagierten überhaupt nicht, und als Laurel mit den Armen wedelte und mit den Füßen stampfte, um sie zurückzuscheuchen, erntete sie nichts als verächtliches Gackern.
    Zuerst hatte Laurel den Mann gar nicht bemerkt. Erst als er »Hallo« sagte, drehte sie sich um und sah ihn in der Nähe der Stelle stehen, wo Daddy normalerweise seinen Morris parkte.
    »Hallo«, sagte sie.
    »Ist dir eine Laus über die Leber gelaufen?«
    »Nein, ich bin wütend. Die Hühner sind ausgebüxt, und jetzt fressen sie Daddys Mais, und ich krieg nachher den Ärger dafür.«
    »Ah, verstehe«, sagte der Mann. »Das klingt wie ein ernstes Problem.«
    »Ja.« Sie biss sich auf die Unterlippe, damit er nicht sah, dass sie zitterte.
    »Hm, es gibt nicht viele, die das wissen, aber ich kann mit den Hühnern sprechen. Wollen wir mal sehen, ob ich sie überreden kann, in ihr Gehege zurückzugehen?«
    Laurel nickte, und gemeinsam scheuchten sie die Hühner durch den Gemüsegarten, wobei der Mann laut gackerte. Nachdem sie sich vergewissert hatten, dass sämtliche Hühner wieder im Gehege waren und keins fehlte, half er ihr sogar dabei, die Beweise für die Hühnerinvasion von Daddys Maispflanzen zu entfernen.
    »Sind Sie hier, um meine Eltern zu besuchen?«, fragte Laurel.
    »Ja«, sagte der Mann. »Ich habe deine Mutter gekannt, vor langer Zeit. Wir waren einmal Freunde.« Er lächelte, und Laurel merkte, dass sie ihn mochte – nicht nur, weil er ihr mit den Hühnern geholfen hatte.
    Die Erkenntnis machte sie ein bisschen verlegen, und sie sagte: »Sie können reinkommen und auf meine Eltern warten, wenn Sie wollen. Ich muss sowieso aufräumen.«
    »Einverstanden.« Er folgte ihr und nahm den Hut ab, als er das Haus betrat. Er schaute sich um. Laurel folgte seinem Blick. Sicherlich bewunderte er, dass Daddy die Wände gerade neu gestrichen hatte. »Sind deine Eltern nicht da?«
    »Daddy ist auf dem Feld, und Mummy ist losgegangen, um einen Fernseher auszuleihen, damit wir uns die Krönungszeremonie ansehen können.«
    »Ah. Natürlich. Dann mache ich es mir hier bequem, während du aufräumst.«
    Laurel nickte, rührte sich jedoch nicht von der Stelle. »Ich werde mal Schauspielerin, wenn ich groß bin, wissen Sie.« Sie verspürte den unwiderstehlichen Drang, dem Mann alles über sich zu erzählen.
    »Wirklich.«
    Laurel nickte wieder.
    »Dann werde ich Ausschau nach dir halten. Wirst du in London im Theater auftreten?«
    »Ja«, sagte Laurel und schürzte die Lippen, so wie die Erwach senen es machten, wenn sie nachdachten. »Ich glaube schon.«
    Bis dahin hatte der Mann gelächelt, aber plötzlich änderte sich sein Gesichtsausdruck, und Laurel fürchtete schon, sie hätte etwas Ungehöriges gesagt oder getan. Doch dann merkte sie, dass er sie gar nicht mehr anschaute, sondern das Hochzeitsfoto von Mummy und Daddy betrachtete, das auf der Kommode in der Diele stand.
    »Gefällt es Ihnen?«, fragte sie.
    Aber er antwortete nicht. Er hatte das gerahmte Foto in die Hand genommen und machte ein Gesicht, als könnte er nicht glauben, was er vor sich sah. »Vivien«, sagte er leise, während er Mummys Gesicht mit den Fingerspitzen berührte.
    Laurel runzelte die Stirn. »Das ist meine Mummy«, sagte sie. »Sie heißt Dorothy.«
    Der Mann schaute sie an und öffnete den Mund, als wollte er etwas sagen, dann machte er ihn wieder zu und lächelte. Es war ein seltsames Lächeln, als hätte er gerade ein Rätsel gelöst und als würde ihn das zugleich traurig und glücklich machen. Er setzte seinen Hut wieder auf, und Laurel sah, dass er gehen wollte.
    »Mummy kommt gleich«, sagte sie verwirrt. »Sie ist nur ins nächste Dorf gefahren.«
    Aber er blieb bei seinem Entschluss, ging zur Tür und trat ins helle Sonnenlicht hinaus. Unter den Glyzinien drehte er sich noch einmal um und streckte Laurel die Hand entgegen. »Also, kleine Hühnerbändigerin, es hat mich gefreut, dich kennenzulernen. Viel Spaß bei der Krönungszeremonie.«
    »Danke.«
    »Ich heiße übrigens Jimmy, und ich werde auf den Bühnen von London Ausschau nach dir halten.«
    »Ich bin Laurel«, sagte sie, als sie ihm die Hand schüttelte.

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