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Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition)

Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition)

Titel: Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Morton
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Rumpf tief nach unten beugte. »Bring ihn doch mal mit her, damit wir sehen können, ob er der Richtige für dich ist.«
    Dolly beäugte Louisa, die keuchend die Hüften rollte. Sie konnte sich nicht mehr erinnern, wie die anderen auf die Idee gekommen waren, dass Jimmy Pilot bei der Royal Air Force war; es war vor einigen Monaten gewesen, und die Vorstellung hatte Dolly gefallen. Sie hatte den Irrtum nicht aufgeklärt, und jetzt schien es zu spät dafür. »Tut mir leid, Mädels«, sagte sie und faltete den Brief wieder zusammen. »Er ist im Moment nicht abkömmlich – er fliegt in geheimer Mission, über Einzelheiten darf ich leider nicht reden. Und im Übrigen, ihr kennt die Hausordnung …«
    »Ach, komm schon«, sagte Kitty. »Der alte Drachen würde das doch überhaupt nicht mitkriegen. Sie ist nicht mehr hier unten gewesen, seit Pferdekutschen aus der Mode gekommen sind, und von uns würde sie es garantiert nicht erfahren.«
    »Sie kriegt mehr mit, als ihr denkt«, entgegnete Dolly. »Außerdem vertraut sie mir. Ich bin für sie eine Art Familienersatz. Sie würde mich sofort rausschmeißen, wenn sie den Verdacht hätte, dass ich Herrenbesuch empfange.«
    »Wäre das denn so schlimm?«, fragte Kitty. »Du könntest bei uns arbeiten. Ein Lächeln, und mein Chef würde dich mit Kusshand einstellen. Er ist ein kleiner Lustmolch, aber wenn man erst mal raushat, wie man ihn nehmen muss, kann man sich prächtig mit ihm amüsieren.«
    »Au ja!«, riefen Betty und Susan wie aus einem Mund. »Du musst bei uns arbeiten!«
    »Und auf meine tägliche Tracht Prügel verzichten? Kommt nicht infrage.«
    Kitty lachte. »Du bist verrückt, Doll. Verrückt oder heldenhaft, eins von beidem.«
    Dolly zuckte die Schultern; einer Wichtigtuerin wie Kitty würde sie nicht auf die Nase binden, welche Gründe sie hatte, bei Lady Gwendolyn zu bleiben.
    Sie nahm ihr Buch, das sie am Abend zuvor auf dem Beistelltisch abgelegt hatte. Es war neu, das erste Buch, das sie je selbst besessen hatte (bis auf das ungelesene Mrs. Beeton’s Ratgeber für die junge Hausfrau , das ihre Mutter ihr so hoffnungsvoll zum Abschied in die Hand gedrückt hatte). Sie war an einem ihrer freien Sonntage extra in die Charing Cross Road gegangen, um es sich zu kaufen.
    Kitty beugte sich vor, um den Titel auf dem Einband zu lesen. » Die widerspenstige Muse . Hast du das nicht schon gelesen?«
    »Zweimal sogar.«
    »Ist es so gut?«
    »Ja, ist es.«
    Kitty zog ihre hübsche Nase kraus. »Ich bin keine große Leseratte.«
    »Ach, nein?« Das war Dolly eigentlich auch nicht, aber das brauchte Kitty nicht zu wissen.
    »Henry Jenkins? Den Namen hab ich doch schon mal gehört … Ja, genau, das ist doch der Kerl von gegenüber, oder?«
    Dolly wedelte mit ihrer Zigarette. »Ja, er wohnt irgendwo in der Nähe.« Natürlich war das der Grund gewesen, warum sie sich das Buch gekauft hatte. Nachdem Lady Gwendolyn hatte durchblicken lassen, dass Henry Jenkins in literarischen Kreisen dafür bekannt war, zu viele wahre Begebenheiten in seine Romane einfließen zu lassen (»Ein Mann, dessen Namen ich Ihnen nennen könnte, war außer sich, als er in einem Buch schmutzige Einzelheiten über sein Privatleben las. Er wollte vor Gericht gehen, aber er ist gestorben, bevor er dazu kam – ein Unfall –, Glück für Jenkins …«), war Dollys Neugier geweckt. Den Worten des Buchhändlers hatte sie entnommen, dass es sich bei Die widerspenstige Muse um eine Liebesgeschichte zwischen einem gut aussehenden Schriftsteller und dessen viel jüngerer Ehefrau handelte, und hatte daraufhin bereitwillig ihre Ersparnisse dafür geopfert. Eine Woche lang hatte Dolly sich genüsslich in die Lektüre vertieft und Dinge über die Ehe der Jenkins erfahren, nach denen sie Vivien niemals zu fragen gewagt hätte.
    »Der Kerl sieht umwerfend aus«, bemerkte Louisa, die mittlerweile auf dem Teppich lag und den Rücken durchbog wie eine Kobra, um Dolly ansehen zu können. »Und mit dieser dunkelhaarigen Frau verheiratet, die immer rumläuft, als hätte sie einen Stock verschluckt …«
    »Ach, die !«, rief Betty, und Susan machte große Augen.
    »Ein Glückspilz«, sagte Kitty. »Für so einen Mann würde ich alles geben. Habt ihr mal gesehen, wie er sie anschaut? Als wäre sie seine Göttin und als könnte er sein Glück nicht fassen.«
    »Ich hätte nichts dagegen, wenn er mich so ansehen würde«, sagte Louisa. »Wie findet man bloß so einen Mann?«
    Dolly kannte die Antwort auf die Frage – wie

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