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Die Verlorenen von New York

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Titel: Die Verlorenen von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Beth Pfeffer
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geworfen? Bestimmt Carlos. Carlos behandelte ihn immer wie ein Baby. Dem würde er es zeigen. Ganz allein würde er aus der Schneewehe herausklettern.
    »Julie! Er will aufstehen. Drück ihn runter.«
    Aber Julie konnte ihn nicht runterdrücken. Niemand konnte das. Nicht einmal Chris Flynn. Er war der erste puerto-ricanische Präsident der Vereinigten Staaten. Nicht Chris Flynn. Und auch nicht Carlos. Nicht einmal Papá war der erste puerto-ricanische Präsident der Vereinigten Staaten. Aber warum sollte jemand den ersten puerto-ricanischen Präsidenten der Vereinigten Staaten in eine Schneewehe werfen? Und warum war es im Weißen Haus so kalt?
    Kevin respektierte ihn. »Hallo, Herr Präsident«, sagte er.
    »Hallo, Herr Vizepräsident«, sagte Alex. Aber irgendetwas schien da nicht zu stimmen. Alex war doch der Vizepräsident, nicht Kevin. Und was war Kevin? Der Staatssekretär? Er konnte sich nicht erinnern.
    »Der Himmel ist gar nicht so übel«, sagte Kevin. »Besser, als ich dachte. Jede Menge Playboy -Hefte hier im Himmel. Harvey besorgt mir immer die neuesten Ausgaben.«
    Dann hatte Harvey also einen Zeitungsstand aufgemacht. »Willst du auch mal einen Playboy ?«, fragte er mit einem schmierigen Grinsen. Er hatte keinen einzigen Zahn mehr im Mund. »Zwei Hefte für eine Dose Tomaten und das kleine Biest.«
    So heiß es in der Hölle gewesen war, so kalt war es jetzt im Himmel. Irgendwie hatte Alex gedacht, im Himmel wären immer vierundzwanzig Grad. Vielleicht auch mal ein paar Grad mehr, wenn man schwimmen gehen wollte.
    »Sie könnten eigentlich auch gleich sterben, Herr Präsident«, sagte Kevin. »Bald sind sowieso alle tot.«
    »Ich nicht«, sagte Pater Mulrooney. »Ich sterbe nie.«
    Alex freute sich, Pater Mulrooney zu sehen. »Ich finde, Sie sollten Oberster Richter werden«, erklärte er dem greisen Priester.
    »Da werde ich doch lieber Abgesandter des Vatikans«, erwiderte Pater Mulrooney, und seine Augenbrauen schnellten so weit in die Höhe, dass sie gegen die Decke der Sixtinischen Kapelle prallten.
    »Wie wär’s mit ein bisschen Leichen-Shopping, Herr Präsident?«, fragte Kevin. »Sehen Sie mal, hier liegt schon ein ganzer Berg davon.«
    Alex ging auf den Leichenberg zu. Das mussten an die hundert sein. Kevin brachte ihm eine Leiter, damit er hinaufklettern und nach Schuhen und Armbanduhren suchen konnte.
    Papá lag ganz obenauf. Alex hob ihn hoch und warf ihn zu Kevin hinunter. »Ein guter Fang!«, rief Alex.
    Als Nächstes kam Mamá. »Hier müssen wir Englisch sprechen«, sagte sie, während er sie Kevin zuwarf.
    Plötzlich stand auch Kevin neben ihm auf dem Gipfel. Er grinste Alex an und sagte: »Ich bin tot, Herr Präsident. Schon vergessen?«
    »Nein, bist du nicht«, sagte Alex. »Ich hab dich unter dem Ast hervorgezogen. Kevin! Komm sofort zurück! Kevin!«
    »Er ruft nach Kevin«, sagte Bri. »Weißt du, wo der steckt, Julie? Vielleicht könnte er Alex ein bisschen beruhigen.«
    »Kevin ist tot«, sagte Julie.
    Alex lachte. Kevin war der einzige Mensch auf der Welt, der kein Grippozid gewesen war. Er hatte nicht herumgesessen und gewartet, bis ihn die Grippe dahinraffen würde. Und genauso wenig hatte er seine unsterbliche Seele aufs Spiel gesetzt, indem er Selbstmord beging. Nein, dafür war Kevin viel zu schlau. Er hatte sich einfach im richtigen Moment unter einen Ast gestellt.
    »Ganz schön clever, Herr Vizepräsident«, sagte Alex. »Leute wie Sie brauchen wir an der Vincent de Paul.«
    Vincent de Paul. Heute war ein ganz normaler Schultag. Selbst der zukünftige Präsident der Vereinigten Staaten musste zur Schule gehen, wenn er einen Platz in Georgetown ergattern wollte.
    »Bri, fass mit an. Er will wieder aufstehen.«
    »Bleib liegen, Alex. Ganz ruhig. Alles wird gut, Alex. Ruh dich einfach aus.«
    Ausruhen. Wie sollte sich der wichtigste Mann der freien Welt ausruhen, wenn er in einer Schneewehe festgehalten wurde? Wo steckten bloß wieder die Marines, wenn man sie mal brauchte?
    »Da sind wir schon!«, rief Carlos. Er sah blendend aus in seiner Uniform. Tante Lorraine stand neben ihm und schluchzte hysterisch, aber das schien ihn nicht zu stören. »Bleiben Sie, wo Sie sind, Herr Präsident. Ich kümmere mich um Julie und Bri. Sie sind ja noch ein Baby.«
    »Bin kein Baby«, protestierte der Präsident der Vereinigten Staaten. »Mamá, Carlos ärgert mich. Mamá!«
    »Ein richtiger Mann braucht keine Mutter«, sagte Papá. »Sieh mich an. Ich bin ein richtiger Mann. Ich

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