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Die Verlorenen von New York

Die Verlorenen von New York

Titel: Die Verlorenen von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Beth Pfeffer
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doch jede Menge herum.«
    »Am besten kochen wir auch gleich noch Wasser ab«, sagte Julie. »Das Wasser, das Bri für uns in der Mikrowelle abgekocht hat, ist fast alle. Sie hat jeden Tag ein bisschen mehr abgekocht, damit wir einen Vorrat haben, aber der ist inzwischen fast aufgebraucht.«
    »Ihr beide habt wirklich gut für mich gesorgt«, sagte Alex.
    »Vor dem Schneesturm war’s eigentlich noch kein Problem«, erklärte Julie. »Da hat Bri das Abendessen immer in der Mikrowelle aufgetaut, wenn wir noch in der Schule waren. Jetzt bewahren wir die Dosen in unserem Schlafsack auf.«
    Wie oft hatte er seine Schwestern schon als Last empfunden, dachte Alex. Dabei war er ganz genauso abhängig von ihnen wie sie von ihm.
    »Nur noch zwei Wochen«, sagte er. »Mit dem nächsten Konvoi sind wir weg. Und am Freitag gibt es wieder Lebensmittel. Bis dahin essen wir eben Makkaroni mit Bohnen.«
    »Und Käfern«, wiederholte Julie. »Na ja, besser als nichts.«
    Freitag, 16 . Dezember
    Alex hätte Julie auch an diesem Freitag lieber zu Hause gelassen, aber sie brauchten unbedingt beide Lebensmitteltüten. Die letzten Makkaroni mit Bohnen hatten sie am Vortag zu Mittag gegessen, und nur eine Tüte würde auf keinen Fall reichen, bei dem bisschen, was mittlerweile nur noch drin war.
    In den Wohnungen war nichts mehr zum Eintauschen zu finden. Alex hatte am Mittwoch und Donnerstag noch einmal alles durchsucht, anfangs sorgfältig und systematisch, später dann verzweifelt. Er hatte bei Kerzenschein suchen müssen, weil die Batterien der Taschenlampe endgültig leer waren. Sie hatten jetzt nur noch zwei Kerzen und eine halbe Packung Streichhölzer.
    Die meiste Zeit schliefen sie. Alex war nicht sicher, ob das gut war oder nicht, aber es gab ohnehin nichts anderes zu tun, und er dachte, dass sie auf diese Weise wahrscheinlich weniger Kalorien verbrauchten. Er achtete darauf, dass Julie während ihrer Wachphasen betete. Bri tat das schon von sich aus, darum musste er sich nicht kümmern.
    Alles war weg, alles hatten sie in den vergangenen Monaten gegen Reis und Bohnen eingetauscht. Das Einzige, was er Harvey noch anbieten konnte, waren sein eigener Mantel und die Aspirintabletten, die er unbedingt hatte aufheben wollen.
    Aber das stimmte nicht ganz, und das wusste er genau. Er hatte zwar so gut wie alles eingetauscht, was in den Arzneischränken zu finden gewesen war, aber ein halbes Dutzend rezeptpflichtiger Schlaftabletten hatte er doch zurückbehalten, um mit ihnen, falls irgendwann nötig, Bri und Julie betäuben und dann im Schlaf ersticken zu können. Auf diese Weise wären sie bei ihrem Tod in einem Zustand der Gnade, und das war das einzig Wichtige.
    Aber er durfte jetzt auf keinen Fall in Panik geraten; Julie würde bestimmt etwas einfallen, wie man zwei Tüten Lebensmittel auf zehn Tage strecken konnte. Oder vielleicht wurde auch die Quarantäne aufgehoben und die Schule wieder geöffnet. Wenn sie es nur irgendwie schaffen würden, bis zum 26 . Dezember durchzuhalten.
    Aber auch Julie wurde zusehends schwächer, und der Anblick war ihm unerträglich. Er wusste, dass sie weniger aß, damit Bri etwas mehr bekam. Im Stillen bat er sie um Vergebung, dass er sich je über sie beklagt hatte.
    Aber als sie schließlich an der Lebensmittelausgabe ankamen, gab es dort keine Warteschlange. Sie wussten beide, was das zu bedeuten hatte, gingen aber trotzdem weiter bis zur Tür.
    LEBENSMITTELLIEFERUNGEN VORLÄUFIG EINGESTELLT
    Alex starrte den Zettel an. Was hatte »vorläufig« zu bedeuten? Bis die Quarantäne aufgehoben wurde? Oder hatten sie jetzt endgültig den Stecker gezogen und die Stadt dem Tod überlassen? Und wenn es so war, würde es dann auch keine Konvois mehr geben? Wenn Julie doch bloß in Tränen ausbrechen würde, dachte er. Wenn er sie trösten könnte, würde er sich vielleicht nicht mehr ganz so hilflos und verängstigt fühlen.
    Aber Julie tat nie, was er von ihr erwartete, und das war auch diesmal nicht anders. »Macht nichts«, sagte sie stattdessen. »Hätte eh nicht gereicht.«
    »Da hast du wahrscheinlich Recht«, sagte Alex.
    Sie machten sich auf den Heimweg. »Ich versuch’s mal bei Harvey«, sagte Alex. »Ich habe noch meinen Mantel und eine Packung Aspirin. Vielleicht kriege ich ja was dafür.«
    »Ohne Mantel erfrierst du«, wandte Julie ein.
    »Das geht schon«, antwortete Alex. »Dann hänge ich mir eben eine Decke über. Vielleicht könnt ihr Mädchen sie ja zu einem Mantel umarbeiten, damit ich auf

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