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Die Verlorenen von New York

Die Verlorenen von New York

Titel: Die Verlorenen von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Beth Pfeffer
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Eltern?«, fragte Mr Flynn. »Können sie euch nicht helfen?«
    »Sie sind verschwunden«, sagte Alex und war überrascht, wie sehr ihn diese Worte immer noch schmerzten. »Schon von Anfang an. Wir haben noch einen Bruder, aber der ist irgendwo mit den Marines unterwegs. Ich bin jetzt das Oberhaupt der Familie.«
    »Du bist doch selbst noch fast ein Kind«, sagte Mr Flynn. »Wie alt bist du, achtzehn?«
    »Nächsten Monat«, antwortete Alex. »Bisher sind wir ganz gut zurechtgekommen. Erinnern Sie sich noch an Kevin Daley, einen Freund von Chris? Er war uns eine große Hilfe.«
    »Dieser wieselige Typ?«, fragte Mr Flynn mit einem Lachen. »Den hatte ich schon fast vergessen. Und sonst habt ihr niemanden? Nur Kevin?«
    »Und die Kirche«, sagte Alex. »Aber die haben dort schon alles für uns getan, was sie konnten. Ich weiß, dass es diese Evakuierungslager gibt, aber Bri würde das nicht überleben und auch Julie wäre dort in Gefahr. Deshalb bin ich zu Ihnen gekommen. Es gibt sonst niemanden mehr, an den ich mich wenden könnte.«
    Mr Flynn nickte. »Wir müssen rasch handeln«, sagte er. »Deinen Schwestern und dir selbst zuliebe.«
    »Ich kann auch hierbleiben«, sagte Alex. »Ich komme schon klar, erst recht, wenn ich weiß, dass Bri und Julie in Sicherheit sind.«
    »Im Moment kommst du vielleicht noch klar, aber nicht mehr lange«, sagte Mr Flynn. »Hör mir gut zu, Alex, so, als ob ich dein Vater wäre. New York City wird nur noch künstlich am Leben gehalten, und zwar genau so lange, wie es dauert, um alles hier rauszuschaffen, was rausgeschafft werden muss. Hast du irgendeine Ahnung, wie aufwendig diese Transporte sind? Akten, Computer, Menschen. Hunderte von Botschaften, die gesamten Vereinten Nationen. Sämtliche Kunstwerke aus dem Metropolitan Museum und all den anderen Museen, die wir für selbstverständlich gehalten haben. Die Gutenberg-Bibeln. Die ersten Drucke von Shakespeare. Die Nadel der Kleopatra, stell dir das mal vor! Einen Rembrandt kann man nicht einfach so aus der Stadt raustragen. Alles muss beschriftet und katalogisiert und an einen sicheren Ort gebracht werden. Ursprünglich sollte ganz New York City nach Nevada ausgelagert werden. Natürlich nur die Reichen und Mächtigen, nicht solche Leute wie du und deine Schwestern. Der Präsident, unser Bürgermeister, die Vorstände der fünfhundert wichtigsten Unternehmen: Sie alle haben darüber beraten, wo wir hingehen sollten und wann und wie. Und unser Präsident ist nun mal ein unverbesserlicher Optimist. Er hat nicht auf die Wissenschaftler gehört, die ihm von Nevada abgeraten haben. Dann brachen die Vulkane aus und Nevada kam nicht mehr in Frage, und als Nächstes wurde es kalt, und plötzlich schien überhaupt kein Ort mehr in Frage zu kommen, aber irgendwo mussten die Reichen und Mächtigen schließlich hin und die Rembrandts auch. Also haben sie New York noch ein bisschen länger am Leben erhalten. Aber sobald sie können, werden sie den Stecker ziehen und diese Stadt sterben lassen. Und sterben wird sie so oder so. New York ist eine Insel, Alex, und Inseln haben in dieser Welt keinen Bestand, nicht mehr. Deshalb verschwinde lieber von hier, solange es noch geht.«
    »Vielen Dank«, sagte Alex. »Wenn Sie Bri und Julie an einem sicheren Ort unterbringen könnten, hält mich hier auch nichts mehr. Ich könnte erst mal in so ein Evak-Lager gehen, bis ich vielleicht irgendetwas finde, wo wir alle wieder zusammenleben können.«
    »Das wird nicht nötig sein«, sagte Mr Flynn. »Ich kann euch alle drei hier rausbringen, wenn wir schnell genug handeln.« Er stand auf, ging zu einem Gemälde an der Wand und schob es zur Seite. Dahinter kam ein Safe zum Vorschein. Er drehte ein paarmal am Zahlenschloss, nahm einen Stapel Umschläge heraus und legte alle bis auf einen wieder in den Safe zurück. Dann schob er das Bild wieder davor.
    Wie im Film, dachte Alex. Der perfekte Ort, um ein Gewinnlos zu verstecken.
    »Hier sind drei Passierscheine«, sagte Mr Flynn und händigte Alex drei Dokumente aus. »Beförderungsgarantie und Gewährleistung einer Unterkunft für meine drei Familienmitglieder. Ich habe sie beantragt, als hier alles losging, aber bevor die Dokumente eintrafen, hatte ich meine Frau und meine Kinder schon rausgebracht. Seitdem habe ich sie hier verwahrt, weil ich dachte, sie könnten eines Tages vielleicht noch mal nützlich sein. Anscheinend ist dieser Tag nun gekommen.«
    Alex starrte auf die drei Dokumente hinunter.
    Mr Flynn

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