Die verlorenen Welten von Cronus
Schlag lag das Innere des Schiffs im trüben Licht der Notbeleuchtung. Unwirkliche Stille kehrte ein. Ancor machte sich daran, die Sicherungen zu ersetzen, doch als die verschiedenen Motoren wieder zum Leben erwachten, bemerkte er Cherrys verwirrten Gesichtsausdruck. Er stellte den Strom erneut ab, damit wieder Stille einkehrte.
Dann hörte auch er es. Irgend jemand klopfte von außen gegen den Rumpf der Shellback…
»Sine!«
Er rannte zur oberen Luke, riß sie auf und schob sich hastig durch die Öffnung. Dann, als er auf dem Rumpf stand, erkannte er seinen Fehler, und er machte erstaunt halt. Im Licht eines entfernten Blitzes blickte er auf eine völlig veränderte Umgebung. Sie schienen jetzt inmitten eines Schlachtfelds zu stehen; überall waren glasierte Granattrichter zu sehen. Die mit einer dicken Glasur überzogene Shellback stand auf einem glasigen Felsvorsprung, der sich auf dem Grund eines Trichters befand. Das Geräusch, das er für das Klopfen Sine Anuras gehalten hatte, stammte von der Glasur, die abkühlte und nach und nach in Teile zerbrach.
Auf einen Schlag wurde ihm klar, was geschehen war. Die mächtigen Blitze hatten das Wasser verdampft, und der überhitzte Schlick war – zumindest zeitweilig – erstarrt und hatte die Trichter geformt. Bald würde das Wasser wieder durch die glasigen Wände dringen, und die Trichter würden verschwinden. Der Vorgang war zweifellos Teil eines fortwährenden Kreislaufs, mit dessen Hilfe sich die Umwelt erneuerte, und vermutlich die Erklärung für den hohen Anteil ungebundenen Kohlenstoffs in dem Schlick.
Die Shellback hatte Glück gehabt. Es war Maqs Intuition zu verdanken, daß sie die Streifen aus hochleitendem Material verlegt hatten. Dadurch war um sie herum, als der Blitz einschlug, ein riesiger Trichter entstanden. Die Stärke des Einschlages hatte die Streifen mit dem Schiffsrumpf verschmolzen, aber die Hochspannung war, ohne weiteren Schaden anzurichten, in die Umgebung abgeleitet worden. Die Shellback war zwar wie ein kandierter Apfel in getrockneten Schlick gepackt, schien aber im übrigen unbeschädigt.
»Cherry, schalte die Außenscheinwerfer ein und hol die anderen hierher. Das ist unsere Chance, die Ansaugstutzen zu reinigen, bevor uns der Schlick wieder überrollt.«
Cherry äugte verstört aus der Luke, stutzte einen Augenblick, als er die völlige Veränderung der Landschaft bemerkte, und folgte dann Ancors Aufforderung. Sie benötigten drei Stunden zur Reinigung der Ansaugstutzen, und währenddessen wurden die Wände des Trichters immer weicher. Dann waren sie fertig, aber Ancor zögerte mit dem Startbefehl, da sie dann nur noch unter großen Schwierigkeiten ihre Position bis zu Sines Rückkehr halten konnten – falls sie überhaupt jemals zurückkehrte. Sie beschlossen schließlich, die Triebwerke mit niedrigster Leistung zu betreiben. Die Hitze würde die aufweichenden Trichterwände von neuem versiegeln, und auf diese Weise konnten sie tagelang an Ort und Stelle bleiben, ohne befürchten zu müssen, erneut unter Wasser gesetzt zu werden.
Eine neue Proto-Sonne ging auf, und mit Ausnahme ihres Trichters wurde die Landschaft von neuem überschwemmt. Die Umgebung nahm wieder ihr ursprüngliches Aussehen an; der gewaltige Sturm hinterließ keine Spuren. Das Donnern der Triebwerke diente unterdessen nicht nur der Sicherung ihres Trichters, sondern auch als weithin hörbares akustisches Signal für Sine.
Am Nachmittag des dritten Tages hatte Ancor jede Hoffnung aufgegeben. Er hatte es sich angewöhnt, auf dem Rumpf der Shellback, von wo aus er das umliegende Gelände überblicken konnte, Wache zu halten. Einige Stürme waren aufgezogen, hatten ihre Gewalten aber glücklicherweise an anderer Stelle entfesselt. Er war sich bewußt, daß sie nicht in dem Trichter bleiben konnten, wenn ihnen ein Sturm zu nahe kam. Sie hatten nichts mehr, mit dem sie einen Blitzschlag ableiten konnten, und ihnen würde keine andere Wahl bleiben, als aufzusteigen und über dem Sturm zu warten. In diesem Fall bestanden nur geringe Aussichten, ihre Position zu halten und Sine Anura im Nebel zu finden.
Dann ließ ihn eine plötzliche Bewegung fast außerhalb seiner Sichtweite aufmerken. Der Kopf eines Mannes – möglicherweise desselben, den er zuvor gesehen hatte – hob sich aus dem Schlick und beäugte ihn argwöhnisch. Ancor entsicherte seine Waffe, hielt sie aber verborgen. Dann gesellten sich zwei weitere Köpfe zu dem ersten. Ebenfalls Männer, glaubte
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