Die Verlorenen
Stürzten zu Boden. Doch die Zeit reichte, um Kathy Shaugnessy aufschreien und Agamemnon vor Entsetzen erstarren zu lassen.
Die Hälse des Mannes und der Kinder waren blutverschmiert. Unter ihren daliegenden Körper sammelten sich rasch größer werdende rote Lachen.
Weitere Schritte klangen auf, die schwerer Soldatenstiefel. Ein Uniformierter trat durch die Tür.
Und obwohl Agamemnon ihn und die anderen in jener Nacht auf Resolute nicht erkannt hatte, wuchs in ihm ein eisiges Deja-vu-Ge- fühl zu etwas, das in schiere Panik überging.
Ein bluttriefendes Maul wurde aufgerissen, in einem schmutzstarrenden Gesicht, aus dem der Wahnsinn lachte, Zähne blitzten.
Kathy Shaugnessy starb als erste.
Agamemnon folgte ihr kaum eine Minute später in den Tod.
*
»In dieser Nacht...«, sprach Zefrem weiter ...
... tobte die vielleicht schlimmste Schlacht des Bürgerkrieges. In die Geschichtsbücher ging zwar die Schlacht bei Gettysburg als fürchterlichste ein, weil sie fast 50.000 Menschenleben gekostet hatte. Aber es mochten daran zumindest einige Soldaten beteiligt gewesen sein, die ihr Werk wider Willen verrichteten und bis an ihr Lebensende bedauerten, was ihnen zu tun befohlen worden war.
Die Sümpfe von Louisiana indes verließ keiner der Beteiligten mit Gewissensnöten.
Die Soldaten töteten in dieser Nacht mit der Kälte von Maschinen, unter der Knute fremder Mächte. Und sie taten es mit entsetzlicher Gründlichkeit.
In weitem Bogen zogen sie Kreise um jene Gebiete, die der Vampir Guillaume mit seiner blutgierigen Horde heimgesucht hatte. Dann wurden die Kreise enger gezogen, und schließlich begannen Kampf und Jagd.
Dienerkreaturen und Menschen wurden von Farmen und Plantagen gejagt, wenn sie nicht vorher unter den Säbelklingen der Armee niedergingen. Wie Vieh trieben die Soldaten ihre Opfer vor sich her, in die Sümpfe hinein, wo die Panik der Gehetzten ein Entkommen unmöglich machte. Man drängte sich gegenseitig in den Morast; erstickende Schreie füllten den Mantel der Nacht zum Bersten.
Daß dabei auch Soldaten in den Tiefen der Sümpfe versanken, nahm man billigend in Kauf.
»Mit Schwund muß man rechnen«, zitierte Landru einen Spruch, den er irgendwann einmal aufgeschnappt hatte. Mit Gerome und General Grant an seiner Seite beobachtete er das grausige Töten aus der Ferne. Es gelüstete ihn nicht nach einer Beteiligung. Solches Treiben war ihm zuwider. Zwar liebte auch er die Jagd, nur mußte sie unter gänzlich anderen Voraussetzungen stattfinden - auf kultiviertem Niveau .
Irgendwann, im Osten zeigte sich bereits der neue Tag als heller Streif am Horizont, war die gröbste Arbeit getan. Während allerorten Gehöfte und Häuser in Flammen standen und dem Licht des Morgens blutfarben Vorgriffen, gingen die Soldaten daran, übriggebliebene Anwesen gezielt zu durchsuchen und bei Bedarf auszuräuchern.
So erreichten sie auch die Farm der Shaugnessys.
*
»Niegekannter, unvorstellbarer Schmerz ...«, berichtete Zefrem ...
. zwang Agamemnon, vom Tode aufzuerstehen.
Der Schmerz brannte wie Feuer und war zugleich kalt wie Eis, verzehrte Agamemnons Eingeweide und versetzte jede Faser seines Leibes in Weißglut.
Er wollte sich winden, wollte schreien - doch der Tod wich nur langsam und verdammte ihn zu Reglosigkeit und Schweigen. Und vielleicht war dies das Schlimmste daran - dem tobenden Schmerz in keiner Weise nachgeben zu können.
Doch Agamemnon konnte hören.
Stimmen klangen auf, nah und doch wie aus weiter Ferne, als würde die Grenze zwischen dem Reich der Lebenden und dem der Toten sie dämpfen.
»Der ist hinüber«, sagte jemand.
»Laßt uns die Bude anstecken und weiterziehen«, entgegnete ein anderer.
Schritte erklangen, die bald leiser und schließlich von etwas anderem abgelöst wurden. Von einem Knistern und Knacken, von rasch wachsender Hitze und beißendem Gestank.
Feuer.
Als Agamemnon die Augen aufschlug, bestand die Welt um ihn herum schon aus nichts anderem mehr als aus flackerndem, brüllendem Licht.
Im ersten Moment wollte der Schwarze liegenbleiben, sich den Flammen ergeben und darauf warten, daß sie seinen Schmerz verbrannten.
Doch dann verging auch dieser allerletzte Rest alten Denkens, seines früheren Lebens. Das Neue in ihm übernahm die Kontrolle. Und diese andere Kraft, die ihm nicht lange fremd und unvertraut blieb, zwang ihn zum Aufstehen. Mit jedem Schritt, den er tat, wurde er ein kleines Stück mehr Herr über seinen untoten Körper, bis er sich
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