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Die Vermessung der Frau

Die Vermessung der Frau

Titel: Die Vermessung der Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regula Stämpfli
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geschmiert, wie völlig banal? Hübsch, attraktiv, nett anzusehen, ja, alles gegessen, aber einzigartig? Da lobe ich mir trotz allem Thomas Gottschalk – aber nur wegen seiner Individualität!

    Zurück zur Aussage von Markus. Das Traurigste ist: Dicke Frauen können sich – von großartigen Ausnahmen abgesehen – oft selbst nicht ausstehen. Das eigene Gewicht drückt so auf die Seele, dass die Schwere wirklich abstoßend daherkommt. Marianne Sägebrechts gibt es aber leider viel zu selten! Einzig die jungen Frauen erlauben sich heutzutage noch etwas Fülle, und aus dem Gespräch mit ihnen weiß ich: Die Jungs sind ganz scharf drauf, weil sie genug haben von den hochorganisierten, perfekt gestylten Mädchen, die sich nur ab und an etwas Sex
reinziehen, aber im Wesentlichen Ruhe wollen, um in der Schule, im Studium und im Beruf die Beste zu sein. Füllige Mädchen freuen sich über einen Freund, dünne Mädchen fühlen sich von einem Freund viel eher in ihrer Disziplin der Schneekönigin gestört.

    Doch oft stehen sich Frauen, ganz gleich welcher Form, selbst im Weg. Ich erinnere mich an ein Erlebnis im Frauenseminar. Dort wies eine Teilnehmerin ständig auf ihren unförmigen Körper hin. Ehrlicherweise muss ich gestehen, habe ich ihre 120 Kilo zu Anfang weder gesehen noch bewertet noch in irgendein Raster gestellt. Ich habe eben schon einen anderen Blick auf Menschen. Doch ihr ständiges »Ich würde ja so gerne eine neue Stelle suchen, aber als Dicke hab ich keine Chance« ließ mich mit der Zeit nichts anderes mehr sehen als ihre Unförmigkeit. In meiner grenzenlosen Naivität und aus langjährig eingeübter Frauensolidarität übernahm ich aus Mitleid dann in einem Rollenspiel die Rolle der Dicken, um die arme Frau zu entlasten.

    Hoppla! Das hätte ich wohl besser sein lassen! »Tue nie etwas Gutes, sie könnte es Dir nie vergeben.«, lautet der ernüchternde Spruch einer meiner Freundinnen. Wie wahr! Die Dicke nahm mir meinen Akt der Solidarität übel. Sie wollte nicht, dass ich zum Ausdruck brachte, dass ich spürte, was in ihr vorgeht. Als Zeugin ihrer Scham und ihrer Unsicherheit musste ich verletzt werden. Das ist übrigens ein bekannter Mechanismus unter verletzten Menschen. Deshalb fördern oft Frauen in Chefpositionen keine anderen Frauen und schon gar nicht ihre Mitstreiterinnen. Denn die sind als Zeuginnen einer Vergangenheit, in der der gemeinsame Kampf auch seine Schwächen zeigte, nicht erwünscht. Auch meine Dicke aus dem Frauenseminar schlug in ihrer Schwäche ziemlich geschickt zurück. Während einer Kaffeepause fragte sie mich scheinheilig, wie alt denn die Porträts auf meiner Homepage wären. Ich sähe auf den Bildern fantastisch aus, ich hätte auch dieses hässliche
Feuermal nicht und ja, sie hätte mich auf den ersten Blick gar nicht erkannt.

    Wenige andere Gefühle vermögen den Hass einer sich selbst hassenden Frau gegen eine andere zu übersteigen. Lesen Sie die Ausfälle gegen die feministische Übermutter Alice Schwarzer, und Sie wissen sofort, was ich meine.
    Dem Medien- und Machtspiegel zu trotzen ist das eine. Doch etwas anderes ist es, diese geballte Ladung an sterilen, homogenisierten und pasteurisierten Menschenbildern einer Frau gegen eine andere Frau auszuhalten.

    Das Erlebnis zeigt, dass weder die Dicke noch die Dünne sich jemals in ihrem Leben Ruhe gönnen können, was ihr Äußeres betrifft.

    Die amerikanische Schauspielerin Ashley Judd brachte diese Perversion des öffentlichen Gespräches über den Körper von Frauen auf den Punkt. Ihre Aussage wurde innerhalb von Minuten in den sozialen Medien tausendfach geteilt, doch weder Leitmedien noch TV nahmen die Diskussion auf. Zu stark sind die Widerstände, sich wirklich, politisch und kulturell, damit auseinanderzusetzen, was mit den Frauen im Westen äußerst sichtbar passiert. Sie sagte:
    »Das Gespräch über die Körper von Frauen wird außerhalb geführt. Gleichzeitig ist es an uns gerichtet und wird an uns verkauft. Es wird so genutzt, um uns Frauen zu definieren und zu kontrollieren. Das Gespräch zu Frauen ist omnipräsent, es passiert überall, öffentlich und privat. Wir werden ausführlich beschrieben, unser Gesicht und unsere Körper werden ständig analysiert. Wir werden auseinandergenommen, unser Wert wird bestimmt und zugeschrieben auf dieser Grundlage. Es ist eine Reduktion der Persönlichkeit und eine einfache körperliche Objektifizierung. Unsere Stimmen, unsere Persönlichkeit, unser Potenzial,

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