Die Vermessung der Frau
dass sie am Montagmorgen in Konferenzen saßen, in denen zunächst einmal berichtet wurde, wer am Wochenende wen (oder was) gebumst hatte. Sie wurden routinemäßig von männlichen Kollegen belästigt, die ihnen immer ausgefallenere Pornos zeigten, die sie auf ihre Handys heruntergeladen hatten, und Schneeblasen (Frau mit Pudelmütze bläst einem Schneemann den Schneepenis) war harmlos dagegen. Im Allgemeinen reagierten sie auf solche Dinge nicht, indem sie zum Rechtsanwalt gingen, sondern indem sie sich der Situation gewachsen (beziehungsweise geschrumpft) zeigten. (...) Hier in Amerika geben die Frauen Mund, Arsch und Titten her, bevor sie einen Kerl überhaupt kennen.« Rosin zieht daraus den Schluss: »Aber vielleicht betrachten diese Frauen ein Herz aus Stahl als fairen
Preis für ihren neuen hohen Rang in der sozialen Hierarchie des Milieus?« (S. 44) Wiederum autsch.
In »Das Ende der Männer und der Aufstieg der Frauen« lernen wir als Frauen die Gebrauchsanweisung der gegenwärtigen Macht- und Finanzpolitik auswendig und verfeinern sie um etliche Gemeinheiten. Den Jungs geben wir Ritalin, lassen sie sinnlose Spiele spielen und versorgen sie mit ausreichend Pornografie. Männer, die nie »Titten aus Zement« und kein »Herz aus Stahl« aufweisen, werden im Heer der Arbeitslosen entsorgt. Hätte ich 2005 ein Buch zu lesen bekommen mit dem Titel: »Das Ende der Männer und der Aufstieg der Frauen«, hätte ich mich wahrscheinlich gefreut. Heute, 2013, beschleicht mich beim Satz »Die Zukunft ist weiblich« das nackte Grauen.
Erinnern Sie sich noch an den armen Joghurt mit dem abgelaufenen Verfallsdatum? Ja? Wunderbar. Würden Sie ihn nun, nach der Lektüre des Buches ebenso gedankenlos dem Müll übergeben?
Wenn ja, darf ich mich an dieser Stelle von Ihnen verabschieden und Ihnen danken für all die Mühen, meinem Gedankengalopp zu folgen.
Wenn Sie aber dem Joghurt nun doch noch eine Chance geben, möchte ich Ihnen eine kleine Geschichte erzählen, in dem das Leben und damit das Begehren wundervoll gehuldigt werden.
1982 erschien der großartige Science-Fiction-Film »Blade Runner«, in dem ein vom Leben desillusionierter Kopfgeldjäger einen Roboter jagt, der dem von seinen Programmierern vorgesehenen Tod nach einer vorbestimmten Zeit zu entfliehen versucht. Der Roboter, ein Replikant, wird von dem menschlichsten aller Gefühle angetrieben: dem Wunsch zu leben.
In einer der bewegendsten Szenen am Ende der Plots rettet der Replikant seinem Verfolger das Leben. Während er selbst verlöscht, gibt er dem depressiven Kopfgeldjäger eine Vision des Seins, die so groß ist, dass er, die Maschine, den Menschen absolut beschämt.
Troy, der Roboter aus Blade Runner, wird dadurch menschlich, dass er Erinnerungen und Erfahrungen als wertvoll erachtet, die den ihn jagenden Menschen mittlerweile fremd sind.
Sie fragen sich, was dies mit dem Joghurt und dem Gedankenhorizont eines Evolutionsbiologen zu tun hat? Nun: Alles. Denn in deren Weltbild existieren wir alle im digitalen Code: 1 oder 0. Sein oder Nicht-Sein. Aber der Mensch ist mehr, ist analog, ist
ein ständiger Fluss. Unsere Gefühle, Erinnerungen und Gedanken sind eben nicht in unveränderliche Gene gegossen, sondern mäandern als kollektive Geschichte in uns weiter. Indem wir uns als der Gesellschaft zugehörend betrachten, verlassen wir die Ebene des homo oeconomicus und entfliehen somit der vorproduzierten Bilderwelt. Denn diese Bilderwelt propagiert das Sein als rein materiellen Selbstzweck, das mit dem Verlöschen desselben aufhört.
Doch das Begehren nach eigenen Bildern, einer eigenen Geschichte, gibt uns die Chance, aus der homogenisierten, programmierten Welt auszusteigen.
Das erfordert jedoch eine Urteilskraft, die uns mit aller Vehemenz ausgetrieben wird. Denn nichts stört den Kapitalismus in seiner heutigen Form mehr als das individualsierte Begehren. Dieses ist durch seine Nicht-Konformität ein Ärgernis für eine Warenwelt, die eine höchstmögliche Homogenisierung seiner verschiedenen Zielgruppen anstrebt.
Der Valentinstag z. B. wird dadurch zum Geschäft, dass alle dasselbe schenken. So lässt sich die Liebe auf Halde vorproduzieren. Wahre Liebe hingegen, die in ihrem Begehren nach dem anderen keinerlei Konsum nötig hat, ist demnach das größtmögliche Desaster für eine die Liebe propagierende, in ihrem Inneren jedoch leere Pseudogefühlsindustrie. Gerade Frauen sind mit ihrem Wunsch nach Sinnlichkeit leider viel zu schnell mit
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