Die Vermessung des Körpers
auszubilden, müssen sich die Wasserstoffbrücken deshalb dehnen und verdrehen, sodass die Wassermoleküle insgesamt mehr Platz beanspruchen als in der dichtesten Form des Wassers (die sich bei etwa vier Grad Celsius einstellt).
Freilich ist Wasser durchsichtig, doch besitzt es aufgrund der Lichtstreuung eine leicht bläuliche Farbe (aus demselben Grund ist auch der Himmel blau). Allerdings wird das erst dann erkennbar, wenn wir durch eine große Menge Wasser blicken, etwa durch Gletschereis.
Die große Bedeutung des Wassers für das Leben rührt zum Teil daher, dass es dank seiner Molekularladung, welche die Wasserstoffbindung ermöglicht, ein hervorragendes Lösungsmittel ist: Andere Materie kann sich im Wasser lösen und lässt sich mit ihm in lebende Zellen transportieren. Wasser ist für das Leben aber noch viel wichtiger. Es ist Teil vieler chemischer Reaktionen, die für die Stoffwechselvorgänge im Körper notwendig sind. Ohne Wasser können lebende Zellen nicht existieren.
Eine Ansammlung winziger Kästen
Ich habe den Begriff »Zelle« bereits wiederholt gebraucht. Wenn man erst einen Blick ins Innere des Körpers geworfen hat, kommt man an ihm nicht mehr vorbei. Das Wort wurde von Isaac Newtons Zeitgenossen und Erzrivalen Robert Hooke geprägt, der selbst ein großer Wissenschaftler war. Sein bekanntestes Buch ist Micrographia , eine wundervoll illustrierte Studie des ganz Kleinen, gesehen durch Vergrößerungsgläser und frühe Mikroskope.
(5) Abbildung eines Flohs in Robert Hookes Micrographia (1665)
Einige Illustrationen ließen sich aus dem Buch herausfalten und verblüfften die Leser mit detailgenauen Darstellungen etwa eines Flohs oder einer Laus, also zweier Kreaturen, die den Menschen der damaligen Zeit nur allzu vertraut waren. Allerdings hatte man sie noch nie in solch monströser Größe gesehen. Daneben begeisterte Hooke seine Leserschaft mit einer detaillierten Zeichnung der Facettenaugen einer Fliege. Er studierte sogar Querschnitte durch Korkrinde. Darin sah er eine »endlose Ansammlung winziger Kästen«, die er mit den von Mönchen bewohnten Zellen eines Klosters verglich. Die biologische Zelle ist also nach dem Schlafgemach eines Mönchs benannt.
Jedes bekannte Lebewesen hat mindestens eine Zelle. Die einfachsten Lebensformen – zum Beispiel Bakterien – bestehen aus einer einzigen Zelle, wohingegen der menschliche Körper aus Billionen von Zellen aufgebaut ist. Jede Zelle ist ein Behältnis für Leben. Die Blutzellen, die wir bereits angesprochen haben, sind eher ungewöhnlich, doch die gängigeren Zelltypen Ihres Körpers sind komplexe Pakete mit einem Kern in der Mitte und zahlreichen biologischen Minimaschinen, die in der Flüssigkeit um ihn herum treiben.
Das Superstar-Molekül
Der Zellkern beherbergt die wohl bekannteste komplexe chemische Verbindung, die es gibt: die DNS. DNS ist zweifellos eine Berühmtheit in der Welt der Chemie. Welche anderen Moleküle finden sonst regelmäßig Erwähnung in den Nachrichten? Wir müssen nicht einmal den vollen Namen nennen – die Initialen genügen vollauf (was auch besser ist, da einem Desoxyribonukleinsäure nicht gerade leicht über die Lippen kommt). Daneben brauchen wir nur das Bild einer Doppelspirale zu sehen, und schon wissen wir, womit wir es zu tun haben.
DNS – im englischsprachigen Raum »DNA« (für »deoxyribonucleic acid«) – ist mit anderen Substanzen nicht ohne weiteres vergleichbar. Sie ist nicht wie, sagen wir, Salz, das immer dasselbe ist: Natriumchlorid, eine einfache Verbindung aus zwei Atomen, die das NaCl-Molekül bilden. DNS ist vielmehr ein Format, in dem sich Informationen in chemischer Form speichern lassen. Die DNS in unseren Zellkernen – etwa in einer Zelle Ihrer Fingerkuppe, in die Sie sich gestochen haben – hat die Gestalt einer Reihe langer Moleküle, die sich um Proteine, sogenannte Histone, winden. Diese dienen als eine Art Spindel für die DNS.
Vielleicht haben Sie schon einmal Bilder eines menschlichen Chromosoms gesehen. Jedes Chromosom ist ein einzelnes DNS-Molekül mit seinen Histonen, und jede Ihrer Zellen enthält in ihrem Kern 46 dieser Chromosomen. In Kapitel 7 werden wir mehr darüber erfahren. Das Wichtigste (was oft vergessen wird, wenn die Leute über Chromosomen reden) jedoch ist, dass die DNS darin stets ein einzelnes Molekül ist. Das ist nicht sofort erkennbar, weil es zu einem Bündel zusammengewickelt ist und so weitaus klobiger wirkt als ein typisches Molekül. Die schiere
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